Risiko Ticona: Das Verfahren der EU-Kommission
Informationen, Berichte und Kommentare
Von: @cf <2006-11-01>
Beim Planungsverfahren für den Flughafenausbau wurde nach Ansicht der EU-Kommission gegen die Seveso-Richtlinie verstoßen: es wurde nicht beachtet, dass die geplante Landebahn Nordwest zu nahe am Störfallbetrieb Ticona liegt. Deswegen hat die Kommission ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Der Streit um den Flughafenausbau beschäftigt jetzt Europa. Am 30.3.2004 leitete die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen Deutschland wegen Verletzung von EU-Umweltrecht ein. Nach Meinung der Kommission wurde bei der Planung der Nordwestbahn die Seveso-II-Richtlinie verletzt. Der Hessischen Landesregierung wird vorgeworfen, das Risiko durch die Nähe der geplanten Landebahn zu dem Chemiewerk Ticona , das unter die Störfallverordnung fällt, nicht genügend berücksichtigt zu haben.

Am 29.11.2006 geben Fraport und Ticona nach langen internen Verhandlungen eine Einigung im Konflikt um die Nordwestbahn bekannt: Ticona gibt das Werk Kelsterbach bis zum Jahr 2011 freiwillig auf, Fraport zahlt 650 Millionen Entschädigung. Damit hat sich das Verfahren der EU-Kommission erledigt. Fraport und Landesregierung haben offenbar eingesehen: der Betrieb des Chemiewerks und die Landebahn Nordwest sind nicht vereinbar. Deshalb schafft man das Problem jetzt mit viel Geld aus der Welt: um 20 Prozent wird sich der Ausbau verteuern und um noch ein Jahr verzögern

Auf dieser Seite sind alle Informationen zum EU-Verfahren zusammengefasst.

Aktuelle Nachrichten

Neu 29.11.2006: Fraport zahlt, Ticona weicht

Ticona und Fraport geben überraschend eine Einigung im Konflikt um die Nordwestbahn an: Gegen eine Entschädigung von 650 Millionen Euro erklärt sich Ticona bereit, das Werk in Kelsterbach bis 2011 zu schließen und so den Weg für die Nordwestbahn freizumachen. Die Einwendung gegen den Ausbau und Klagen werden von Ticona zurückgezogen. Mit dem freiwilligen Rückzug der Ticona erübrigt sich das Verfahren der EU-Kommission wegen Verletzung der Seveso-Richtlinie.

11.08.2005
Die Grünen präsentieren ein Schreiben der EU-Kommission, in dem diese Äußerungen, die Kommission habe nichts mehr gegen die Pläne zum Flughafenausbau, dementiert. Die Pläne würden noch geprüft. Die Europa-Abgeordnete Breyer hatte nachgefragt, ob die Anfang Juli in der Presse verbreiteten Äußerungen stimmen.

30.06.2005
Nach Angaben einer Nachrichtenagentur hat die EU-Kommission bislang keine Bedenken gegen die Ausbaupläne der Hessischen Landesregierung. Es sehe danach aus, dass der Entwurf zum Landesentwicklungsplan in Hessen die Voraussetzungen zur Einhaltung der Seveso-II-Richtlinie erfülle, sagte eine Person aus dem Umkreis der Kommission am Donnerstag zu Dow Jones Newswires. Am Montag will die Kommission mit Vertretern von Bund und des Landes Hessen ausstehende Fragen zu dem Ausbauprojekt klären. Ministerpräsident Roland Koch will sich schon vorher mit Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel treffen.

24.05.2005
Die hessische Landesregierung bleibt auch nach erneuter Prüfung aller Ausbau-Varianten für den Frankfurter Flughafen bei der Nordwest-Variante. Diese sei von den Umweltaspekten her am günstigsten. Das Risiko hält man bei allen drei Varianten für vertretbar. Der Entwurf des entsprechend geänderten Landesentwicklungsplans soll Ende Juni ausgelegt werden.

14.04.2005
Die Fraktion der Flughafen Ausbau Gegner (FAG) im Frankfurter Römer hat ihre EU-Beschwerde wegen Verstoß gegen die Seveso-II-Richtlinie erweitert. Die FAG bemängelt, dass sowohl das DEA-Tanklager westlich der Ticona als auch das Lager der Hydranten- Betriebsgesellschaft auf dem Gelände des Flughafens nicht in den Planfeststellungsunterlagen berücksichtigt sind. Auf dem Flughafengelände werden 189 Millionen Liter Kerosin gelagert.

15.03.2005
In einem Schreiben an die Europa-Abgeordnete Hiltrud Breyer (Grüne) äußert der neue EU-Umweltkommissars Stavros Dimas die Ansicht, dass auch das von den Tanklagern auf dem Flughafen ausgehende Risiko bei der Planung für den Flughafenausbau betrachtet muss. Der Flughafen sei wegen des Tanklagers ebenso wie das Chemiewerk Ticona ein "Störfallbetrieb" im Sinne der Seveso-II-Richtlinie. Die EU-Kommission werde "die Beschwerden gründlich prüfen" und die "erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten". Der Umweltkommissar sagte zudem, er erwarte, dass bei den Flughafen-Planungen die Anforderungen der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie der Vogel- Richtlinie und der Flora-Fauna-Habitat der EU eingehalten werden.

Allgemeine Informationen

Die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge

September 2003: Die Beschwerde der FAG

Mitte September 2003 reicht die Fraktion der Flughafen-Ausbau-Gegner (FAG) in Frankfurt hat eine Beschwerde wegen "Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts" bei der EU-Kommission ein. Nach Ansicht der FAG verstößt die geplante Landebahn Nordwest gegen die sogenannte Seveso-Richtlinie. Kurze Zeit später bestätigt die EU-Kommission, dass sie die Beschwerde prüfen wird.

November 2003: EU-Kommission vermutet Verletzung der Seveso-Richtlinie:

In einem Schreiben vom 10.11.2003 reagiert die EU-Kommission konkret auf die Beschwerde. In einem Schreiben an die Bundesregierung wird diese zu einer Stellungnahme und der Lieferung weiterer Informationen aufgefordert. Die Hessische Landesregierung erklärt in ihrer Antwort an die Kommission die Vorwürfe für unbegründet.

März 2004: Einleitung des Verfahrens

Am 30.3.2004 beschließt die EU-Kommission, ein Verfahren gegen Deutschland wegen Verletzung der Seveso-Richtlinie einzuleiten. Fraport und die Hessische Landesregierung zeigen sich anfangs unbeeindruckt. Im April mehren sich Anzeichen, dass mit der EU-Kommission ein Kompromiss gesucht werden soll.

Mai 2004: Die vorläufige Einigung und ihre Folgen

Am 17.05.2004 findet in Brüssel ein Treffen zwischen Vertretern der EU-Kommission, der Hessischen Bandesregierung und der Bundesregierung in Brüssel statt, um über das Vertragsverletzungsverfahren zu diskutieren. Nur wenige Nachrichten dringen nach außen, doch der Streit scheint erst einmal beigelegt: die EU-Kommission erklärt, das laufende Verfahren könne eingestellt werden, wenn das Land Hessen noch einmal alle Ausbau-Varianten überprüfe, einschließlich der Möglichkeit des Nicht-Ausbaus. Das Land Hessen soll dies zugesagt haben.

Am 25.05.2004 kündigt der Hessische Wirtschaftsminister Rhiel an, der Ausbau des Flughafens werde sich um 2-3 Jahre verzögern, ein Planfeststellungsbeschluss sei nicht vor 2007 zu erwarten. Alle Ausbau-Varianten sollen bei der Änderung des Landesentwicklungsplans noch einmal geprüft werden, wie von der EU-Kommission verlangt.

Eine Delegation der FAG (FlughafenAusbauGegner) wird kurzfristig beim Umweltkommissariat in Brüssel empfangen. Die Beschwerdeführer wollen wissen, wie die EU-Kommission sicher stellen will, dass die Einhaltung der Seveso-Richtlinie nicht nur versprochen, sondern auch eingehalten wird. Die FAG zeigt sich nach dem Treffen zuversichtlich, den Ausbau wegen der Vorfestlegung Kochs auf die Nordwestvariante kippen zu können.

Am 27.05.2004 erklärt Ministerpräsident Koch in einem Interview, dass er bei der Nordwest-Variante bleibt. Er erneuert seine Drohung, die Ticona zu enteignen: "An Ticona wird der Flughafenausbau ganz gewiss nicht scheitern" !

Juli 2004: Bundesregierung bittet um Einstellung des Verfahrens

03.07.2004
Am 3. Juli 2004 bittet die Bundesregierung in einem Schreiben die EU-Kommission, das Verfahren wegen Verletzung der Seveso-Richtlinie einzustellen. Es wird zugesichert, dass alle Varianten, einschließlich der Nullvariante noch einmal bezüglich Seveso-Richtlinie und anderer EU-Verordnungen geprüft werden sollen, und zwar beim Verfahren zur Änderung des Landesentwicklungsplans.
Wichtig: zur Änderung des Landesentwicklungsplans ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen!

Januar 2005: Das Verfahren läuft weiter - Kommission wartet auf Risiko-Analyse

Laut Aussage der Sprecherin des neuen EU-Umweltkommissars Stavros Dimas vom 04.01.2005 ist im EU-Verfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens voraussichtlich bis Mitte des Jahres keine Entscheidung zu erwarten. Deutschland wolle bis dann die fehlende Gefahrenprüfung nachholen und die Ergebnisse an die EU-Kommission schicken. "Das Ende März eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist nicht ausgesetzt, wir warten lediglich auf die Prüfung", so die Kommissionssprecherin. Für die Brüsseler Behörde sei es wichtig, dass die Risikoprüfung gemäß Seveso-II auf jeden Fall vor der Baugenehmigungsphase erfolge. Nach Aussagen gut informierter Kreise soll es in der Kommission Befürchtungen geben, die Risikobewertung könnte nicht den Kriterien der Seveso-II-Richtlinie entsprechen. Sollten die Bestimmungen der EU-Richtlinie tatsächlich nicht erfüllt werden, könnte der Streit langfristig vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen.

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Ticona Absturz-Gefahr EU-Kommission Bundesregierung (Deutschland) Hessische Landesregierung Landebahn Nordwest EU - Richtlinien

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