Nach Presseberichten vom Mittwoch hat sich die Bundesregierung auf ein neues Fluglärmgesetz geeinigt. Der seit fast einem Jahr andauernde Streit zwischen dem Umweltministerium und dem Verkehrsministerium um die Novellierung wurde damit offenbar beigelegt. Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte am Mittwoch, der Gesetzentwurf solle in den nächsten Wochen im Kabinett beschlossen werden, das Gesetz könne somit noch dieses Jahr in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen.
Genaues über den Inhalt der Einigung wurden nicht genannt, doch soll der Entwurf von Umweltminister Trittin im Wesentlichen beibehalten worden sein. Für bestehende Verkehrsflughäfen soll die Lärmbelastung am Tag in der Schutzzone 1 von 75 auf 65 Dezibel auf 65 (bislang 75) Dezibel in der engen Schutzzone 1 und in der erweiterten Schutzzone 2 von 67 auf 60 Dezibel gesenkt werden. Nachts ist ein Grenzwert von 55 Dezibel vorgesehen.
Bei Neubau oder wesentlichem Ausbau von Flughäfen sollen die Lärmgrenzwerte nach Presseberichten "bis zum Jahr 2010 60 Dezibel am Tag und 53 Dezibel in der Nacht" betragen (Schutzzone 1). Der Nachtwert würde damit um 3 Dezibel höher liegen als ursprünglich geplant.
Details wurden nicht bekannt gegeben, und das hat wohl auch seinen Grund. Bereits einen Tag nach den ersten Äußerungen des Umweltministeriums meldete sich das Verkehrsministerium zu Wort. Der Sprecher von Minister Stolpe meinte, es gebe eine "Einigung in Grundzügen",jedoch seien noch so viele Änderungen in der Diskussion, dass keineswegs bereits von einem konkreten Gesetzentwurf gesprochen werden könne. Dazu passt, dass auch Fraport die Hoffnung äußerte, dass "bei den weiteren Beratungen im Parlament noch Änderungen zu erreichen seien". Wieder einen Tag später meinte das Umweltministerium, das Gesetz werde noch 2005 in Kraft treten. Man habe auch vereinbart, die Kosten für Ausgleichsmaßnahmen "insgesamt unter den ermittelten 614 Millionen Euro" zu halten.
Von den Änderungen sind vor allem die geplanten Ausbauvorhaben in Berlin-Schönefeld und in Frankfurt betroffen. Fraport rechnet mit maximal 350 Millionen Euro Mehrkosten, sieht die Ausbaupläne aber nicht gefährdet. Von den verschärften Grenzwerten für bestehende Flughäfen sollen im Wesentlichen Regionalflughäfen betroffen sein, die bisher wenig oder gar nicht in Lärmschutzmaßnahmen investiert haben. Ganz kleine Regionalflughäfen (25000 Flüge pro Jahr?) sollen von den Regelungen ausgenommen sein.
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums ergibt die zu erwartende Kostenbelastung für die Betreiber von zivilen Flughäfen, verteilt auf 10 Jahre, einen Aufschlag von ein bis zwei Euro pro Flugticket. An militärischen Flughäfen sollen Mehrkosten von weniger als 100 Millionen Euro entstehen; hier wurde der Entwurf offenbar entschärft.
Der BUND lobte den Kompromiss mit den Worten "zu wenig, aber besser als nichts". Doch so richtig Freude aufkommen will über diese geplante Novelle nicht. Die Grenzwerte wurden zwar deutlich gesenkt, liegen aber immer noch deutlich über dem, was nach den Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung wünschenswert wäre, und auch über dem, was für andere Lärmarten gilt. Der Nachtschutzwert bei Neubau und Ausbau von Flughäfen ist um drei Dezibel höher als ursprünglich geplant und damit viel zu hoch - das bedeutet, dass doppelt so viele gleichartige Lärmereignisse zulässig sind wie bei 50 Dezibel.
Die jetzt vorgesehene zulässige Zahl und Lautstärke von Einzelschallereignissen wurde noch nicht genannt, sie könnte zu den Details gehören, die noch ausgehandelt werden müssen. Das gleiche gilt für die Anwendung der 100:100-Regel bei der Lärmberechnung. Fraport möchte diese Methode unbedingt durch eine eigene, im aktuellen Planfeststellungsverfahren angewandte Berechnungsmethode ersetzen, die für die Lärmbetroffenen deutlich ungünstiger ist.
Die eher unerwartete prinzipielle Einigung könnte Ergebnis eines Kuhhandels sein: Verkehrsminister Stolpe gibt seinen Widerstand gegen das Fluglärmgesetz auf, dafür stimmt Umweltminister Trittin dem geplanten Gesetz zur Vereinfachung von Planungsvorhaben zu. Hier soll der Klageweg in Planfeststellungsverfahren gegen große Verkehrsprojekte auf nur noch eine Instanz (das Bundesverwaltungsgericht) verkürzt werden. Dieser Preis wäre hoch.
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