Wenn Ihnen eine Angabe wie "der Fluglärm in .... ist 59 db(A)" über den Weg läuft, dann haben Sie es mit dem Dauerschallpegel (auch: Mittelungspegel) zu tun. Mit diesem Wert wird bei vielen Gelegenheiten die Fluglärmsituation an einem Ort "offiziell" beschrieben. So werden z.B. in Lärmkarten sogenannte Isophonen - Bereiche gleichen Dauerschallpegels - in unterschiedlichen Farben aufgezeichnet. Beim Vergleich gegen Grenzwerte ist ebenfalls der Dauerschallpegel maßgebend.
Der Begriff des Dauerschallpegels ist weder einfach noch intuitiv. Wie schon bei der einfachen Angabe des Schallpegels in Dezibel, verhält sich manches anders, als man es im normalen Leben erwarten würde. Damit man Ihnen beim Fluglärm nicht so leicht etwas vormachen kann, sollten Sie zumindest grob wissen, wie der Dauerschallpegel zustande kommt und wie man die Werte interpretieren kann. Diese Informationen finden Sie hier. Wie man mit den "fertigen" Dauerschall-Pegelwerten rechnen und Veränderungen abschätzen kann, findet man im Beitrag Vorsicht: Dezibel!
- Wie wird der Dauerschallpegel berechnet?
- Was sagt der Dauerschallpegel aus?
- Dauerschallpegel - gut oder schlecht?>
1. Wie wird der Dauerschallpegel berechnet?
Der Dauerschallpegel ist eine Art Mittelwert über den Lärm in einem bestimmten Zeitraum und wird, wie die Lautstärke von einzelnen Geräuschen, in Dezibel, kurz dB(A), angegeben. Dadurch können unregelmässige Geräusche, wie sie beim Verkehrslärm auftreten, mit einem einzigen Zahlenwert beschrieben werden. Es gibt mehrere Arten von Dauerschallpegeln, die nicht direkt miteinander vergleichbar sind und die auf unterschiedliche Weise berechnet werden können. Die Berechnung selbst ist kompliziert und für einen Laien kaum nachvollziehbar (deshalb sind Lärmgutachten auch so teuer ...). Deshalb wird hier auf Formeln verzichtet. Die wichtigsten Varianten des Dauerschallpegels und andere Grundlagen werden im folgenden kurz erläutert.
Die Angabe "der Fluglärm ist 59 db(A)" genügt nicht. |
1. Die häufigste Variante: der Leq3
Die hierzulande am häufigsten gebrauchte Art des Dauerschallpegels ist der "energieäquivalente Dauerschallpegel", abgekürzt Leq(3). Er gibt an, wie laut ein konstantes Dauergeräusch wäre, das im betrachteten Zeitraum die gleiche Schallenergie erzeugt wie das tatsächliche, unregelmässige Geräusch .
Es handelt es sich also um einen "Rechenwert", nichts, dass Sie konkret hören können!
Korrekturen für besondere Eigenschaften des zu messenden Lärms oder Zeitraums erfolgen beim einfachen Leq(3) nicht, es ist also noch der "ehrlichste" Wert unter den Dauerschallpegeln.
Wenn sich die Zahl der (als gleich angenommenen) Fluglärmereignisse verdoppelt, steigt der Leq(3) um 3 db(A) (daher die 3 im Index der Bezeichnung). Der Leq3 kann über verschiedene Zeiträume berechnet werden, z.B. ein Tag oder eine Nacht (üblich beim Straßenverkehrslärm) oder über 6 Monate (beim Fluglärm vorgesehen). Der Zeitraum wird mit angegeben oder durch den Index gekennzeichnet (z.B. Lday oder Lnight für den Tages- bzw. Nachtpegel).
Der energieäquivalente Dauerschallpegel ist in Deutschland Basis für alle Arten der Lärmberechnung. Dabei werden in den meisten Fällen zum Rohwert noch Korrekturen addiert, zum Beispiel ein Impulszuschlag, oder abgezogen (Schienenbonus). Der Dauerschallpegel wird damit zum "Beurteilungspegel", der die Wirkung des Lärms besser beschreiben soll.
2. Der Dauerschallpegel nach dem neuen Fluglärmgesetz
Im neuen Fluglärmgesetz wird im Prinzip der Leq3 als Dauerschallpegel verwendet, der im Gesetz als LAeq bezeichnet wird. Berechnet werden der LAeq Tag (Zeit von 6-22 Uhr) und der LAeq Nacht (Zeit von 22-6 Uhr). Der Mittelungszeitraum umfasst die 6 verkehrsreichsten Monate (180 Tage) eines Jahres.
Die Berechnung der LAeq erfolgt nach der "Realverteilung" (siehe Abschnitt unten). Zum Ausgleich von Schwankungen bei der Benutzung verschiedener Betriebsrichtungen über die Jahre wird bei der Berechnung der Dauerschallpegel die Zahl der zu berücksichtigenden Flugereignisse jeweils um 3 x die Streuung der Nutzungsanteile in den letzten 10 Jahren ("Sigma") erhöht.
3. Der Dauerschallpegel nach dem alten Fluglärmgesetz: Leq4
Beim Dauerschallpegel, der im alten Fluglärmgesetzt zur Berechnung des Fluglärms verwendet werden musste und den man auch heute noch in älteren Papieren findet, bedeutet eine Verdoppelung der Schallenergie eine Erhöhung um 4 Dezibel. Die Berechnung erfolgt nach dem Fluglärmgesetz über die 6 verkehrsreichsten Monate. Für Fluglärmereignisse in der Nacht wird ein Zuschlag eingerechnet, es handelt sich also um einen "Beurteilungspegel". Die Werte des Leq(4) sind nicht direkt in die Werte nach Leq(3) umzurechnen. Für eine große Zahl von Flugbewegungen liegen die Werte jedoch nahe beieinander.
4. Der neue europäische Standard: Lden
Nach dem neuen von der EU vorgeschlagenen Standard wird zur Berechnung von Lärmkarten der Lden verwendet. Es handelt sich hier um einen Leq(3), bei dem Ereignisse am frühen Morgen und am Abend (6-7 Uhr und 19-22 Uhr) mit einem Zuschlag von 5 db(A) und Ereignisse in der Nacht (22-6 Uhr) mit einem Zuschlag von 10 db(A) versehen werden. Es handelt sich also um einen Beurteilungspegel, der nicht mehr direkt auf die gemessenen Werte abgebildet werden kann. Wegen der Zuschläge für Randzeiten und die Nacht fällt der Wert des Lden meist "besser" für die Betroffenen aus als der Leq3. Nachteil ist, dass man aus dem Wert kaum noch etwas über den tatsächlichen Verlauf der Lärmbelastung über den Tag sagen kann. Oftmals wird deshalb zur Beurteilung von Folgen des Lärms für den Schlaf der Lnight noch extra abgegeben.
4. 100:100 Regel oder Realverteilung?
Beim Frankfurter Flughafen gibt es zwei Betriebsrichtungen, West und Ost. Die meisten Städte werden bei verschiedenen Betriebsrichtungen unterschiedlich vom Fluglärm betroffen, manche werden auch nur in einer Betriebsrichtung überflogen. Berechnet man den Dauerschallpegel nun mit der Realverteilung, werden auch die aufgrund der Betriebsrichtung fluglärmfreien Tage in den Mittelwert eingerechnet. Der berechnete Wert wird dadurch deutlich niedriger als er in der Zeit ist, wo auch tatsächlich geflogen wird (in Frankfurt bis zu 6 dB(A) für nur bei Ost-Betrieb betroffene Städte). Wird nach der 100:100-Regel bzw. mit getrennter Betrachtung der Betriebsrichtungen gerechnet, wird nur die Zeit für die Berechnung berücksichtigt, wo auch tatsächlich geflogen wird. Der nach 100:100-Regel berechnete Dauerschallpegel gibt also den Dauerschallpegel an Tagen an, an denen auch tatsächlich Flugbetrieb herrscht. Im alten Fluglärmgesetz wird stets nach der Realverteilung gerechnet, und die Luftfahrtlobby hat leider inzwischen erreicht, dass das auch im neuen Gesetz so bleibt (die Korrekturen durch den 3-Sigma-Zuschlag gleichen die Effekte nicht aus). Wenn Sie als Betroffener aber einen schönen Sommerabend im Freien genießen wollen und werden von Fluglärm genervt, tröstet es Sie bestimmt wenig, dass Sie mit der nächsten Schlechtwetterperiode wieder "fluglärmfrei" haben!
2. Was sagt der Dauerschallpegel aus?
Sie wissen jetzt, wie der Dauerschallpegel berechnet wurde. Was sagt Ihnen das jetzt über die tatsächliche Fluglärmbelastung an einem Ort? Nicht allzu viel - auf jeden Fall nicht genug! Denn weder das Ohr noch das Gehirn des Menschen "mitteln" den Lärm! Was man wahrnimmt, ist das einzelne Fluglärmereignis, und deshalb kommt es auf die Anzahl, die zeitliche Verteilung, die Lautstärke und die Dauer der einzelnen Lärm-Ereignisse an. Diese Daten gehen zwar in die Berechnung der Mittelungspegel ein, aber sie können nicht rückwärts daraus abgeleitet werden. So kann ein und derselbe Mittelungspegel durch völlig unterschiedliche Lärmsituationen verursacht werden, wie man an folgendem Beispielen sieht:
Die Wirkung des Fluglärms wird durch den Dauerschallpegel nicht ausreichend beschrieben! |
Beispiel 1: Sie wohnen an einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße, auf der pro Stunde 2000 PKW vorbeifahren. Dadurch wird ein Mittelungspegel von ca. 67 db(A) erzeugt. Sie sind nicht zu beneiden, denn bei Ihnen ist es furchtbar laut. Einziger Trost: der Mittelungspegel beschreibt Ihre tatsächliche Situation ziemlich zutreffend. Sie hören die ganze Zeit ein Geräusch, dessen Lautstärke in etwa dem Dauerschallpegel entspricht, erzeugt durch einen gleichförmigen, kontinuierlichen Strom von Fahrzeugen. |
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Pegelverläufe und Mittelungspegel für verschiedene Lärmsituationen. Rote Fläche: Verlauf des Lärmpegels, grüne Fläche: Grundpegel (Ruhe). Quelle: Prof. Fleischer |
Beispiel 2: Sie wohnen an einer Bahnlinie, auf der in einer Stunde ein einziger, aber sehr lauter Güterzug vorüber fährt. Dadurch entsteht ebenfalls ein Mittelungspegel von ca. 67 db(A)! Wenn Sie diese Situation haben, haben Sie Glück: Sie werden etwa eine Minute vom Lärm gestört, die anderen 59 Minuten haben Sie Ruhe! Der Dauerschallpegel (der unter Umständen entscheidet, ob Sie Anspruch Schallschutzfenster haben) ist genau so hoch wie in Beispiel 1. Würden Sie tauschen wollen? Man kann Sie allerdings ärgern: zusätzlich zum Zug können auf der Straße vor Ihrem Haus noch bis zu 200 PKW pro Stunde fahren, ohne dass sich der Mittelungspegel ändert! |
2. Dauerschallpegel - gut oder schlecht?
Die Reduzierung der Fluglärmbetroffenheit auf einen einzigen Zahlenwert ist bequem. Planer, Gutachter und sogar Lärmwirkungsforscher lieben den Dauerschallpegel und verteidigen ihn mit Zähnen und Klauen gegen die Kritik von Betroffenen, die meinen, dass dieser Wert ihre Belastung nicht ausreichend beschreibt. Am liebsten hätte man eine einfache Formel, die anhand des Dauerschallpegels eine sichere Voraussage erlaubt, wie viele Menschen sich belästigt fühlen oder nachts aufwachen. Politiker, die nichts gegen den Lärm tun wollen, wüssten zu gerne im Voraus genau, wieviel Lärm sie den Bürgern zumuten dürfen. Flughafenbetreiber freuen sich, wenn sie ein lautes Flugzeug durch 3 leisere ersetzen dürfen, ohne dass sich die Dauerschallpegel erhöhen - für die Betroffenen wird die Situation dabei eher schlechter.
Viele wundern sich dann, wenn die Belästigung der Bevölkerung durch Fluglärm ständig zunimmt, obwohl der Dauerschallpegel in den letzten 20 Jahren abgenommen hat. Zur Begründung heisst es dann, die Menschen seien empfindlicher geworden. Doch nicht die Menschen sind schuld. Tatsächlich ist die Lautstärke des einzelnen Überflugs zurückgegangen, doch die Anzahl der Überflüge hat sich stark erhöht, manchmal vervielfacht. Dadurch werden die ruhigen Zeitabschnitte immer kürzer und immer weniger, die Zahl der Störungen steigt. Der Dauerschallpegel sagt eben doch nicht alles!
Unser Rat:
Orientieren Sie sich nicht am Dauerschallpegel. Wenn Sie die tatsächliche Fluglärmsituation an einem Ort beurteilen wollen, fragen Sie nach Anzahl, zeitlicher Verteilung und Lautstärke der Überflüge! Eine gute Orientierung bilden die Messwerte beim Deutschen Fluglärmdienst (DFLD). Dort finden Sie Messwerte für den Lärm von einzelnen Überflügen während des Tages.
Idee:
Lärm und Ruhe getrennt messen. Also etwa so: in einer Stunde herrschte während 20 Minuten Fluglärm mit einem Mittelungspegel von 60 db(A). 40 Minuten herrschte Ruhe.