Das Planfeststellungsverfahren für die geplante neue Landebahn am Flughafen Frankfurt ist noch nicht in seine entscheidende Phase eingetreten, aber es gibt schon genug Stolpersteine, die den Plänen im Wege liegen.
Zeitplan
Der Zeitplan für den Ausbau musste schon mehrfach nach hinten korrigiert werden. Ursprünglich hieß es, dass die ersten Flugzeuge zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 auf der neuen Nordwestbahn landen sollten. Als dieser Termin nicht mehr haltbar war, sprach Fraport-Chef Bender von 2007. Vor kurzem korrigierte das Wirtschaftsministerium auch diesen Zeitplan: jetzt soll die Bahn erst 2009 in Betrieb gehen. Insider gehen eher davon aus, dass sie erst 2010 in Betrieb geht (wenn überhaupt). Über die Hälfte der ursprünglichen Planungshorizonts, der bis zum Jahr 2015 geht, ist dann schon vorüber.
Risiko Ticona
Das Chemiewerk in Kelsterbach würde nur 400 Meter von einer Nordwest-Bahn entfernt liegen und den von landenden Flugzeugen in 60 bis 100 Metern Höhe überflogen werden. Das Werk verarbeitet hochexplosive Stoffe und fällt daher unter die Störfallverordnung. Die Störfallkommission des Bundes hält die Nordwest-Bahn und das Chemiewerk für nicht miteinander vereinbar, weil ein eventueller Absturz auf das Werk verheerende Folgen haben könnte. Ein Umzug kommt für das Unternehmen, das zu Celanese (seit April Blackstone) gehört, nicht in Frage. Eine Enteignung, wie sie Ministerpräsident Roland Koch angedroht hatte, dürfte nur schwer durchzusetzen sein und gilt daher eher als unwahrscheinlich.
Risiko durch Vogelschlag
Bei Anflügen von Westen auf die neue Nordwestbahn besteht nach einem Gutachten der Aktion Zukunft Rhein-Main ein hohes Risiko, dass die landenden Flugzeuge mit Vögeln in Konflikt geraten, wodurch ein hohes Absturzrisiko besteht. Der Main ist Überwinterungsraum für zahlreiche Wasservögel, besonders Lachmöven, Krähen und Kormorane. Diese Vögel fliegen häufig in einer ähnlichen Höhe wie die landenden Flugzeuge: im ungünstigsten Fall könnten Hunderte von Vögeln in der Stunde den Landeanflug kreuzen. Maßnahmen, um die Wasservögel vom Main zu vertreiben, sind nicht bekannt.
Risiko Ost-Anflüge
Bei Anflügen auf die geplante Nordwestbahn besteht auch bei den Anflügen von Osten her (75% der Zeit) ein hohes Risiko für den ICE-Bahnhof und die ICE-Strecke, das Rhein-Main-Airport-Center, Terminal-Gebäude und das geplante Airrail-Center, das auf dem ICE-Bahnhof errichtet werden soll. Nach Angaben des Deutschen Fluglärmdienstes würde das Gebäude nur 110 Meter von der Achse der geplanten Nordwest-Bahn entfernt liegen. Detaillierte Untersuchungen über das Risiko bei Ostanflügen wurden noch nicht durchgeführt.
Seveso-Richtlinie
Ende März hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Seveso-II-Richtlinie beim Planungsverfahren für den Flughafenausbau eröffnet. Nach dieser Richtlinie hätte das Ticona-Problem bereits beim Raumordnungsverfahren eingehender untersucht werden müssen, bevor man sich auf eine Variante festlegt. Da die Hessische Landesregierung erklärt hat, dies bei der Änderung des Landesentwicklungsplan nachzuholen, wird Brüssel vermutlich einlenken. Allerdings muss die Seveso-Richtlinie nicht nur geprüft, sondern auch eingehalten werden, Brüssel wird bestimmt darauf achten. Die nächste Beschwerde in Sachen Ticona wurde bereits von der BfU Eddersheim bei der EU-Kommission eingereicht: Schon jetzt werde gegen die Seveso-Richtlinie verstoßen, weil Ticona von zahlreichen startenden Flugzeugen überflogen wird. Für das Luftfahrtbundesamt war das Risiko durch das Überfliegen des Störfallbetriebes kein Faktor bei der Festlegung der Flugroute.
Caltex-Gelände
Dieses Gelände der früheren Caltex gilt als "Filetstück", auf dem einmal 10000 Arbeitsplätze entstehen sollen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Juni entschieden, dass die Städte Kelsterbach und Raunheim ihre Planungen für die Bebauung des Caltex-Geländes fortsetzen dürfen. Bei der Aufstellung der Bebauungspläne stand noch nicht fest, dass die neue Bahn im Nordwesten des Flughafens gebaut werden soll. Auf dem Gelände dürfen nach den vorliegenden Plänen bis zu 56 Meter hohe Bürohäuser gebaut werden. Damit wäre bei der neuen Nordwest-Bahn die gesetzlich vorgeschriebene Hindernisfreiheit nicht mehr eingehalten.
Naturschutz
Mehrere Naturschutz- und FFH-Gebiete wären von einem Ausbau im Nordwesten des Flughafens betroffen. Naturschutzverbände haben bereits entsprechende Klagen angekündigt. "FFH" steht für die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Überraschend hat das Land Hessen vor kurzem den Kelsterbacher Wald - also das Gebiet, wo die Nordwest-Piste gebaut werden sol l - als FFH-Gebiet an Brüssel nachgemeldet. Wegen des Bannwaldes, der für den Ausbau gerodet werden müsste, hat die Landesregierung zwar das entsprechende Gesetz geändert, sodass der Bannwaldstatus aufgehoben werden kann. Ob das in der Praxis aber ganz ohne rechtliche Probleme ablaufen wird, ist nicht sicher.
Flughafen-System
Hessen und Rheinland-Pfalz wollen die Flughäfen Frankfurt und Hahn zu einem Flughafen-System verknüpfen. Damit wäre es möglich, vor allem Nachtflüge von Frankfurt nach Hahn zu verlagern - dies ist wichtig, um das von Roland Koch versprochene Nachtflugverbot nach dem Ausbau juristisch abzusichern. Die Genehmigung als Flughafensystems muss von der EU genehmigt werden, ursprünglich sollte diese Genehmigung Anfang 2004 vorliegen. Doch bis jetzt haben es die Pläne noch nicht einmal bis Brüssel geschafft: sie liegen seit über einem Jahr in Berlin zur Prüfung. Von der EU-Kommission gab es bis jetzt keine positiven Signale, dass sie den Antrag genehmigen wird. Träume von einer schnellen Schienenen-Anbindung nach Hahn, etwa durch einen Transrapid, sind längst geplatzt, was für ein Flughafensystem nicht gerade förderlich ist.
Regionalplan Südhessen
Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat vor wenigen Wochen den Regionalplan aus dem Jahr 2000 für ungültig erklärt, der Flächen für die Flughafen-Erweiterung vorsah. Somit gilt wieder der alte Plan aus dem Jahr 1995, der eine Bebauung außerhalb der Flughafen-Zäune nicht erlaubt. Die Landesregierung wird versuchen, den Regionalplan 2000 ohne die umstrittenen Passagen zum Flughafenausbau in Karft zu setzen, die rechtlichen Konsequenzen sind unklar. Nach Ansicht der Landtagsopposition sind dem Ausbau die rechtlichen Grundlagen entzogen. Auch ist es fraglich, ob der Zeitplan für die Airbus-Werft eingehalten werden kann. Fraport hält die Ausbaupläne nicht für gefährdet.
Landesentwicklungsplan
Der Landesentwicklungsplan muss geändert werden, weil die Passagen zum Flughafenausbau vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof für ungültig erklärt worden sind. Dies soll im Jahr 2005 geschehen. Die Erwartungen an den Plan sind hoch. So müssen wegen des EU-Verfahrens zur Seveso-Richtlinie alle kritischen Fragen zum Flughafenausbau hier erörtert werden - Seveso-Richtlinie, Ticona, Lärm und Naturschutz. Auch die erbeute Prüfung der Ausbauvarianten (Nordwestbahn, Nordostbahn, Südbahn) sowie die Option, überhaupt nicht auszubauen, werden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums geprüft werden. Nach Ansicht des Verwaltungsrechts-Experten Möller-Meinecke kann der Landesentwicklungsplan die Fehler aus dem Raumordnungsverfahren nicht mehr "heilen"
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