Die Seveso-II-Richtlinie von 1996 hat zum Ziel, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhindern und die Unfallfolgen für Mensch und Umwelt zu begrenzen. Der Name der Richtlinie leitet sich aus dem spektakulären Chemieunfall von SEVESO in Italien im Jahre 1976 ab. Die offizielle Bezeichnung lautet "Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen".
Die Seveso-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, besondere Vorsorge zu treffen, um Unfälle in störanfälligen Betrieben zu verhindern und die Auswirkungen zu begrenzen. Die Betreiber solcher Anlagen, insbesondere Chemiebetriebe, müssen zahlreiche Auflagen zur Sicherung von gefährlichen Stoffen, Pruduktionsanlagen und -Prozesse und der Umgebung erfüllen.
Die Mitgliedsstaaten müssen in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung dafür sorgen, dass das Ziel der Verhütung schwerer Unfälle Berücksichtigung findet. Dazu gehört vor allem, einen ausreichenden Abstand zwischen Wohngebieten oder Verkehrswegen und den Störfallanlagen einzuhalten. Nach Art. 12, Absatz 1 der Seveso-Richtlinie sind z.B. "neue Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebe wie beispielsweise Verkehrswege zu überwachen, wenn diese Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können." Als "ausreichender Abstand" zu einem Störfallbetrieb wird derzeit 4 km angesehen.
Seit Mitte 2001 wurde über eine Novellierung der Richtlinie beraten, um in Zukunft Katastrophen wie im niederländischen Enschede (dort war eine Feuerwerksfabrik mitten in einem Wohngebiet explodiert) zu vermeiden. Nach langwierigen Verhandlungen wurde im November 2003 im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss erzielt. Am 19.11.2003 hat das Europäische Parlament die Novelle der Seveso-II-Richtlinie beschlossen.
Der im Kontext des Flughafenausbaus besonders wichtige Artikel 12, Absatz 1, Unterabsatz 2 lautet jetzt wie folgt:
"Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderen einschlägigen Politiken sowie den Verfahren für die Durchführung dieser Politiken langfristig dem Erfordernis Rechnung getragen wird, dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, wichtigen Verkehrswegen (so weit wie möglich), Freizeitgebieten und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvollen bzw. besonders empfindlichen Gebieten andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt und dass bei bestehenden Betrieben zusätzliche technische Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, damit es zu keiner Zunahme der Gefährdung der Bevölkerung kommt."
In Deutschland sind die Vorschriften für Störfallbetriebe in der "Störfallverordnung" festgelegt. Weitere Regelungen zur Anlagensicherheit finden sich im Bundesimmissionsschutzgesetz. Zum 1. Juli 2005 wurden die Seveso-Richtlinie in der Fassung vom November 2003 durch Änderungen im Bundesimmissionsschutz-Gesetz und der Störfallverordnung in deutsches Recht umgesetzt.
Weitere Informationen:
- Seveso-II-Richtlinie von 1996(deutsche Fassung)
- Änderung der Seveso-II-Richtlinie vom 19.11.2003
- Störfallverordnung vom 26.4.2000 (gültig bis 01.07.2005)
- Störfallverordnung, neue Version, gültig ab 01.07.2005
- Gesetz zur Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie vom 16. Dezember 2003
- Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 20.04.2000