Verfahren der EU-Kommission: ein großer Erfolg für die Ausbaugegner
Geht MP Koch jetzt härter gegen Ticona vor?
<2004-04-02>
Am Anfang war es ein typischer Fall von "David gegen Goliath". Die winzige Fraktion der FAG (Flughafenausbau-Gegner) im Frankfurter Römer ging im Streit um den geplanten Flughafenausbau den Schritt nach Europa. Sie legte im September 2003 eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein: die geplante Landesbahn im Kelsterbacher Wald verstoße wegen der wegen der Nähe zum Chemiewerk Ticona gegen die Seveso-II-Richtlinie. Die Initiative fand am Anfang kaum Beachtung. Doch nun erweist sie sich als ein spektakulärer politischer Erfolg.
Ganz im Gegensatz zur Hessischen Landesregierung nahm die EU-Kommission die Angelegenheit bitter ernst und reagierte überraschend schnell. Schon zwei Monate später flatterte der Bundesregierung ein Schreiben mit der Aufforderung auf den Tisch, sich zu der von der Kommission vermuteten Verletzung der Seveso-Richtlinie zu äussern. Mit der Antwort der Hessischen Landesregierung, von der Bundesregierung einfach durchgereicht, war die Kommission nicht zufrieden. Sie leitete ein Verfahren gegen Deutschland wegen Verletzung der Seveso-Richtlinie ein. Damit wurde dem Flughafenausbau ein weiterer, massiver Stolperstein in den Weg gelegt.
Von der Stellungnahme der Landesregierung zu den Vorwürfen, EU-Umweltrecht verletzt zu haben, hat sich die EU-Kommission jedenfalls nicht beindrucken lassen. Denn selbst bei wohlwollender Betrachtung kann die Argumentation des Wirtschaftsministeriums eigentlich niemand überzeugen. Das Raumordnungsverfahren sei nicht relevant für die Beurteilung der Ticona-Frage, bekräftigte ein Sprecher des Ministeriums nach Bekanntwerden des EU-Verfahrens ein weiteres Mal, entscheidend seien die Änderung des Landesentwicklungsplans und das Planfeststellungsverfahren.
Warum gibt es dann überhaupt ein Raumordnungsverfahren, fragt man sich, wenn dort nicht untersucht wird, ob ein Bauprojekt "in die Landschaft passt" oder ob ihm höchst gefährliche Risiken entgegenstehen? Und das Argument "Änderung des Landesentwicklungsplans" ist keinen Deut besser. Hat das Ministerium vergessen, dass der Landesentwicklungsplan nur deshalb geändert werden muss, weil das Gericht darin die Passagen zum Flughafenausbau für ungültig erklärt hat? Hätte niemand gegen den Plan geklagt, wäre das Risiko darin überhaupt nicht beachtet worden. Was will Minister Rhiel jetzt in den Landesentwicklungsplan hineinschreiben? Den Enteignungsbeschluss gegen die Ticona, weil die ja nun amtlich seiner Nordwestbahn im Wege steht?
Doch selbst wenn sich die Landesregierung mit ihren Argumenten irgendwie durchmogeln sollte und die Risikobetrachtung ins Planfeststellungsverfahren verlagert wird: spätestens dann muss die Seveso-Richtlinie angewandt werden, und die sagt: Landebahn und Ticona zusammen gehen nicht. Jede andere Entscheidung könnte, vor dem Hintergrund eines ablehnenden Votums der Störfallkommission und einem laufenden EU-Verfahren - erfolgreich beklagt werden.
Da MP Koch sich darauf festgelegt hat, sein Ausbauprojekt um jeden Preis zu realisieren, hat er nur noch eine Möglichkeit: das Chemiewerk muss weichen. Je mehr die Landesregierung ihre Felle davon schwimmen sieht, desto mehr wird sie den Druck auf die Ticona erhöhen. So verweigert das RP der Ticona seit langem die Inbetriebnahme einer längst fertig gestellten Anlage zur Erhöhung der Produktionskapazität - ein ungewöhnlicher Vorgang, der nicht Gutes aahnen lässt. Die Idee einiger Politiker, der Ticona wegen des aktuellen Überflugrisikos die Betriebsgenehmigung zu entziehen, wird bestimmt weiter verfolgt werden. Nicht umsonst hat das Regierungspräsidium zum Thema "aktuelles Risiko" noch ein weiteres Gutachten beauftragt.
Ganz gleich, ob Versuch der Enteignung oder Entzug der Betriebsgenehmigung: es droht langwieriger Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang, der Fraport und den Steuerzahler teuer zu stehen kommen und dem Ansehen der Region - auch als Wirtschaftsstandort - großen Schaden zufügen dürfte.
Und die Ticona ist nicht das einzige Problem, mit dem die Ausbau-Strategen zu kämpfen haben. In der Stellungnahme der EU-Kommission findet sich ein interessantes Detail: nicht nur die Ticona, sondern auch der Flughafen wird als "Störfallbetrieb" bezeichnet. Das eröffnet neue Perspektiven, das Risiko durch die geplante Nordwestbahn auf der anderen Seite des Flughafens (ICE-Bahnhof, Airrail-Center) zum Thema zu machen.
Doch trotz alledem zeigen weder MP Koch noch Fraport irgendwelche Einsicht, dass ihre Pläne an der Risikofrage scheitern könnten. Das Planfeststellungsverfahren wird bestimmt durchgezogen werden wie vorgesehen. Da kann man nur hoffen, dass es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kommt und dieser dem Spuk ein Ende macht.
Noch ist der Ausbau nicht vom Tisch. Aber seit gestern sind die Chancen viel größer geworden.
Ganz im Gegensatz zur Hessischen Landesregierung nahm die EU-Kommission die Angelegenheit bitter ernst und reagierte überraschend schnell. Schon zwei Monate später flatterte der Bundesregierung ein Schreiben mit der Aufforderung auf den Tisch, sich zu der von der Kommission vermuteten Verletzung der Seveso-Richtlinie zu äussern. Mit der Antwort der Hessischen Landesregierung, von der Bundesregierung einfach durchgereicht, war die Kommission nicht zufrieden. Sie leitete ein Verfahren gegen Deutschland wegen Verletzung der Seveso-Richtlinie ein. Damit wurde dem Flughafenausbau ein weiterer, massiver Stolperstein in den Weg gelegt.
Von der Stellungnahme der Landesregierung zu den Vorwürfen, EU-Umweltrecht verletzt zu haben, hat sich die EU-Kommission jedenfalls nicht beindrucken lassen. Denn selbst bei wohlwollender Betrachtung kann die Argumentation des Wirtschaftsministeriums eigentlich niemand überzeugen. Das Raumordnungsverfahren sei nicht relevant für die Beurteilung der Ticona-Frage, bekräftigte ein Sprecher des Ministeriums nach Bekanntwerden des EU-Verfahrens ein weiteres Mal, entscheidend seien die Änderung des Landesentwicklungsplans und das Planfeststellungsverfahren.
Warum gibt es dann überhaupt ein Raumordnungsverfahren, fragt man sich, wenn dort nicht untersucht wird, ob ein Bauprojekt "in die Landschaft passt" oder ob ihm höchst gefährliche Risiken entgegenstehen? Und das Argument "Änderung des Landesentwicklungsplans" ist keinen Deut besser. Hat das Ministerium vergessen, dass der Landesentwicklungsplan nur deshalb geändert werden muss, weil das Gericht darin die Passagen zum Flughafenausbau für ungültig erklärt hat? Hätte niemand gegen den Plan geklagt, wäre das Risiko darin überhaupt nicht beachtet worden. Was will Minister Rhiel jetzt in den Landesentwicklungsplan hineinschreiben? Den Enteignungsbeschluss gegen die Ticona, weil die ja nun amtlich seiner Nordwestbahn im Wege steht?
Doch selbst wenn sich die Landesregierung mit ihren Argumenten irgendwie durchmogeln sollte und die Risikobetrachtung ins Planfeststellungsverfahren verlagert wird: spätestens dann muss die Seveso-Richtlinie angewandt werden, und die sagt: Landebahn und Ticona zusammen gehen nicht. Jede andere Entscheidung könnte, vor dem Hintergrund eines ablehnenden Votums der Störfallkommission und einem laufenden EU-Verfahren - erfolgreich beklagt werden.
Da MP Koch sich darauf festgelegt hat, sein Ausbauprojekt um jeden Preis zu realisieren, hat er nur noch eine Möglichkeit: das Chemiewerk muss weichen. Je mehr die Landesregierung ihre Felle davon schwimmen sieht, desto mehr wird sie den Druck auf die Ticona erhöhen. So verweigert das RP der Ticona seit langem die Inbetriebnahme einer längst fertig gestellten Anlage zur Erhöhung der Produktionskapazität - ein ungewöhnlicher Vorgang, der nicht Gutes aahnen lässt. Die Idee einiger Politiker, der Ticona wegen des aktuellen Überflugrisikos die Betriebsgenehmigung zu entziehen, wird bestimmt weiter verfolgt werden. Nicht umsonst hat das Regierungspräsidium zum Thema "aktuelles Risiko" noch ein weiteres Gutachten beauftragt.
Ganz gleich, ob Versuch der Enteignung oder Entzug der Betriebsgenehmigung: es droht langwieriger Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang, der Fraport und den Steuerzahler teuer zu stehen kommen und dem Ansehen der Region - auch als Wirtschaftsstandort - großen Schaden zufügen dürfte.
Und die Ticona ist nicht das einzige Problem, mit dem die Ausbau-Strategen zu kämpfen haben. In der Stellungnahme der EU-Kommission findet sich ein interessantes Detail: nicht nur die Ticona, sondern auch der Flughafen wird als "Störfallbetrieb" bezeichnet. Das eröffnet neue Perspektiven, das Risiko durch die geplante Nordwestbahn auf der anderen Seite des Flughafens (ICE-Bahnhof, Airrail-Center) zum Thema zu machen.
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Themen hierzuAssciated topics:
Ticona Europäische Union Klage (vor Gericht) EU - Richtlinien Hessische Landesregierung Landebahn Nordwest
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