Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Bau der A380-Werft am vorgesehenen Standort im Bannwald gebilligt. Der 12. Senat verkündete nach insgesamt vier Verhandlungstagen die Urteile zu allen Klagen und Eilanträgen gegen den Planfeststellungsbeschluss für die A380-Werft. Geklagt hatten der BUND, der Kreis Groß-Gerau, die Städte Mörfelden-Walldorf, Rüsselsheim, Neu-Isenburg und Raunheim, private Kläger aus Neu-Isenburg sowie die Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach.
Die Urteile
Der VGH hat alle Klagen abgewiesen, soweit sie auf eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, also auf eine Verhinderung des Baus der Halle gerichtet waren. Revision wurde nicht zugelassen, dagegen kann wie üblich Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht werden.
Das Urteil über die Klage des BUND begründete das Gericht im wesentlichen damit, dass für die A380-Halle ein erhebliches öffentliches Interesse bestehe, gegenüber dem die Belange des Naturschutzes zurückstehen müssten. Wie der Vorsitzende des 12. Senats, Hartmut Zysk, ausführte, werde durch die Halle die Funktion des Frankfurter Flughafens als Drehkreuz sowie als Heimatflughafen der Lufthansa AG gestärkt und ein Wartungsengpass für Interkontinentalflugzeuge beseitigt. Auch die Sicherung und Schaffung hochqualifizierter und zukunftsorientierter Arbeitsplätze belegten ein überwiegendes öffentliches Interesse am Bau der Halle.
Nach Ansicht des Gerichts könne Fraport nicht darauf verwiesen werden, die Werft an einem anderen Standort innerhalb des bisherigen Flughafengeländes zu bauen, wie vom BUND gefordert. Insbesondere die Nutzung des Airbase-Bereiches scheitere an den Planungen der Fraport, dort ein drittes Terminal zu errichten. Die Belegung dieses Geländes mit der A 380-Werft würde "die Ausbauplanung und Entwicklungsfähigkeit des Flughafens unverhältnismäßig einschränken. Auch die Abweichung vom Regionalplan und die Aufhebung des Bannwaldstatus hält der VGH durch "überwiegende Gründe des Gemeinwohls" für gerechtfertigt. Der BUND erreichte einige kleine Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses, vor allem bei den Ausgleichsmaßnahmen. Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatte die Landesregierung den Planfeststellungsbeschluss in einigen naturschutzrechtlichen Fragen im Sinne des BUND nachgebessert, um einer drohenden Niederlage vor Gericht zuvor zu kommen.
Die Abweisung der Klagen des Kreises Groß-Gerau und der Anlieger-Kommunen begründete das Gericht im Wesentlichen damit, dass sich "Kommunen und durch Lärm betroffene private Kläger nicht mit Erfolg auf Belange des Naturschutzes oder auf naturschutzrechtliche Ziele der Regionalplanung berufen können". Bei Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg und Raunheim wurde nur ein Teilurteil in Sachen Aufhebung der Planfeststellung gefällt. In Sachen Lärm durch Triebwerksprobeläufe gab das Gericht ein weiteres Gutachten in Auftrag, weil die Aussagen von Fraport und eines Gutachters der Kläger zu den Lärmwerten sich stark unterschieden. Eventuell muss der Planfeststellungsbeschluss durch weitere Lärmschutzmaßnahmen nachgebessert werden.
Die Klage Gemeinnützigen Baugesellschaft Offenbach lehnte das Gericht mit der Begründung ab, der Planfeststellungsbeschluss für die A 380-Halle könne nicht als Zulassung für weitere Flugbewegungen angesehen werden , durch die die Baugesellschaft den Wert ihrer Wohnungen beeinträchtigt sah. Die zusätzlichen Flugbewegungen seien durch den Planfeststellungsbeschluss von 1971 abgedeckt.
- VGH Kassel: Die A 380-Wartungshalle darf gebaut werden
Pressemitteilung des VGH Kassel zu den Urteilen
Erste Reaktionen auf das Urt
Wie nicht anders zu erwarten, reagierten die Kläger mit Enttäuschung auf das Urteil - auch wenn einige versuchten, noch positive Aspekte daran zu entdecken. Bei den Ausbau-Befürwortern in Politik und Wirtschaft löste das Urteil dagegen Freude aus.
Begeisterung bei den Ausbau-Befürwortern ...
Bei den Ausbau-Befürwortern löste die Entscheidung des VGH natürlich helle Freude oder sogar Euphorie aus. Einzelne Lokalpolitiker, sonst ziemlich allein mit ihrer Unterstützung für den Ausbau, gerieten vor Begeisterung richtig aus dem Häuschen, und auch einige Zeitungsredakteure, die sich meist bemühen, einigermaßen neutral zu schreiben, machten kein Hehl aus ihrer Freude über das Urteil. Viele halten das Urteil wohl für ein Indiz dafür, dass jetzt der gesamte Ausbau gelaufen sei. Das Arbeitsplatzargument wurde in fast allen Stellungsnhamen heftig strapaziert. Die Reaktion von Fraport war dagegen auffällig zurückhaltend.
Fraport-Chef Bender sprach von einem "guten Tag für die Luftfahrt und die Region". Mit dem Bau der Wartungsbasis und dererforderlichen Verlegung der Okrifteler Straße solle Anfang November begonnen werden. Man sei zuversichtlich, dass die Baugenehmigung rechtzeitig zum Herbst vorliegen werde. Fraport-Vize Schölch sagte, er hoffe, dass die Ausbaugegner das Urteil akzeptierten und die im September beginnende Rodung des Bannwaldes nicht "behindern" würden.
Wirtschaftsminister Rhiel sieht die Politik der Landesregierung bestätigt: der Planfeststellungsbeschluss sei ausgewogen und juristisch einwandfrei, die Kasseler Richter seien der Argumentation seines Hauses gefolgt. Rhiel: "Der Eingriff in das Waldgebiet am Flughafen ist angesichts der öffentlichen Interessen an der Errichtung der Werfthalle hinzunehmen. Der Nachteil für die Natur muss gegenüber den verkehrlichen Vorteilen durch mehr Sicherheit und Pünktlichkeit im Luftverkehr und durch die Stärkung der Drehscheibenfunktion des Flughafens Frankfurt zurückstehen. Hinzu kommen das Plus an Jobs und das Plus an Innovation im Luftverkehr.“ Rhiel sprach von mindestens 2000 Arbeitsplätzen, die durch die Halle "erhalten oder neu geschaffen würden".
Auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), Fassbender , freute sich. Mit dem Urteil sei ein wichtiger Meilenstein des Ausbaus geschafft. Fassbender schimpfte in einer einer Pressemitteilung auf die Ausbaugegner:"vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland ist aus der Sicht der VhU jedes Verhalten skandalös, das die Erweiterung des Flughafens Frankfurts als Deutschlands größtem Arbeitsplatz, dessen weiterer Ausbau um eine neue Landebahn direkt und indirekt weitere 100.000 Arbeitsplätze schafft, verhindert oder auch nur verzögert." Er forderte Kommunen und Gewerkschaften auf, das endlich einzusehen und ihren Widerstand gegen den Ausbau aufzugeben.
Die CDU-Landtagsfraktion bezeichnete das Urteil als "Riesenschritt zur positiven Entwicklung des Frankfurter Flughafens". Für die Rhein-Main Region und das Land, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Boddenberg, seien sowohl die A 380-Werft als auch der Flughafenausbau "enorm wichtige Projekte für Wachstum und Arbeit.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Jürgen Walter, begrüßte das Urteil: "Die Stationierung der A 380-Flotte der Lufthansa in Frankfurt sichert und schafft Arbeitsplätze". Walter kritisierte die Landesregierung, die durch "juristische Stümperei" den Bau der Wartungshalle hochgradig gefährdet habe.
Die FDP-Landtagsfraktion freute sich nicht nur, sondern fuhr auch schweres Geschütz gegen die Ausbaugegner auf. Ex-Verkehrsminister Posch: "Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg, Arbeitsplätze in Hessen zu halten und neue hinzuzugewinnen". Der Fraktionsvorsitzende Jörg-Uwe Hahn wetterte gegen die "Blockadepolitik" der Grünen gegen den Flughafenausbau: "Nachdem die Grünen mit ihrer hochideologischen Politik tatkräftig an der Lähmung der deutschen Wirtschaft gearbeitet haben und die Verantwortung für die Vernichtung von Millionen (!!!) von Arbeitsplätzen bundesweit tragen, wollen sie auch penetrant in Hessen mit allen Mitteln die Entwicklung des Frankfurter Flughafens blockieren. ... Nur weil aus ideologischen Gründen der Flughafen bekämpft wird, wo immer es sich anbietet, riskieren die Grünen damit Arbeitsplätze. Das ist nicht nur ideologische Politik, das ist asoziale Politik."
Enttäuschung bei Klägern und Ausbaugegnern
Als "enttäuschend für die ganze Region" bezeichnete Landrat Enno Siehr (Kreis Groß-Gerau) die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. "Mit der Ablehnung der beiden Klagen des Kreises Groß-Gerau würden, so der Landrat, "die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens eindeutig vor die Interessen der betroffenen Anwohner gestellt" und die Belange von Umwelt und Naturschutz grob missachtet. Als "bemerkenswert" bezeichnete es Siehr, dass die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs voll und ganz auf der Argumentationslinie der Landesregierung liegen.
Die Bürgermeister der klagenden Kommunen äußerten sich ebenfalls enttäuscht, wenn sie auch versuchten, positive Aspekte am Urteil zu entdecken. Ob die Kommunen eine Revision versuchen wollen, soll erst noch geprüft werden.
"Das heutige VGH-Urteil zur A380-Halle ist für die klagenden Kommunen eine bittere Pille." Mit diesen Worten kommentiert Baudezernent Peter Layer, Rüsselsheim die Entscheidung des VGH Kassel. Layer kritisierte, die wirtschaftlichen Interessen der Fraport würden vor die Belange der Menschen in der Region gestellt. Bürgermeister Thomas Jühe (Raunheim) sagte, er habe mit dem Ergebnis gerechnet. Es sei der Stadt Raunheim bei der Klage auch darum gegangen, sich zum geplanten Ausbau des Flughafens zu positionieren und auf die aktuelle Fluglärmbelastung der Stadt aufmerksam zu machen. Der Flörsheimer Bürgermeister Ulrich Krebs war vom Urteil ebenfalls alles andere als erfreut. Er bedauerte. dass Fraport AG bei der Werft keine Lösung mit den Anliegern gesucht habe, sondern gegen sie. Er glaube aber nach wie vor, dass die Karten für Flörsheim und die anderen Ausbaugegner gut stehen, den Bau einer weitere Landebahn zu verhindern.
Wenigstens ein kleines positives Zeichen sieht Bernhard Brehl, Bürgermeister von Mörfelden-Walldorf, darin, das der VGH ein Gutachten zur Frage des Bodenlärms aus Triebwerksprobeläufen angefordert hat. Brehl hofft, dass für den Betrieb der Halle Auflagen erteilt werden. Auch der Neu-Isenburger Bürgermeister Oliver Quilling bewertete es als "historisches Ereignis", dass der VGH "in die Beweisaufnahme eintrete". Rechtsanwalt Haldenwang, der die beiden Neu-Isenburger Privatkläger vertritt, rechnet damit, dass es zwei Jahre dauern wird, bis das Lärmgutachten vorliegt. Sollte die Stadt Frankfurt vorher eine Baugenehmigung für die Wartungshalle erteilen, sei zu erwarten, daß seine Mandanten dagegen klagten.
Der BUND hält das Urteil für "unvereinbar mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes". Der Verband kündigte an, in die Revision gehen zu wollen. Als wichtigen Erfolg bewertet der BUND die VGH-Entscheidung zum Naturschutzausgleich. "Die Landesregierung wurde bei der de facto Abschaffung des Naturschutzausgleichs gestoppt. Bereits dieser Teilerfolg rechtfertigt die Verbandsklage", erklärt BUND-Vorstandssprecherin Brigitte Martin.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen bedauerte die Entscheidung, "wertvollen Bannwald zu opfern" und findet die Begründung dafür "bedenklich". Die Richter hatten die Rodung von 13 Hektar Bannwald damit gerechtfertigt, dass ein Alternativstandort auch auf dem Gelände der Air Base nicht zur Verfügung stehe, da Fraport dort bereits das Terminal 3 plane. Die Bürgerinitiativen kommen zu dem Schluss: "Wer frech genug plant, bekommt Recht für seine Winkelzüge."
Für die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) ist das VGH Urteil "ein Schlag für alle Menschen, die sich für eine lebenswerte Rhein-Main-Region einsetzen". Die IG Fluglärm kritisierte das Urteil: "Der VGH übersieht, dass Umwelt- und Gesundheitsschutz von hohem öffentlichen Interesse sind".
Die Grünen halten eine Revision für erforderlich und ermutigten den BUND in seiner Absicht, das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht nachprüfen zu lassen. Nach Ansicht des Parlamentarischen Geschäftsführers Frank Kaufmann, argumentiert das Urteil in wesentlichen Punkten widersprüchlich zur bisherigen Rechtssprechung und zu europäischem Naturschutzrecht . Kaufmann: "In Leipzig sehe ich gute Chancen, denn es wäre nicht das erste Mal, dass Entscheidungen des VGH hier aufgehoben werden".
- Landrat Siehr bedauert VGH-Entscheidung: "Enttäuschung für gesamte Region"
Pressemitteilung der "Aktion Zukunft Rhein-Main" - BUND wird Revision gegen A380-Urteil prüfen
Pressemitteilung des BUND zum Urteil - BBI: VGH Urteil - Bedenkliche Begründung
- IGF: VGH übersieht, dass Umwelt- und Gesundheitsschutz von hohem öffentlichen Interesse sind
Pressemitteilung der IG Fluglärm - FDP: Flughafenausbau eine Frage der Arbeitsplätze nicht der Ideologie
Pressemitteilung des FDP (hoher "Spassfaktor"!)
PFV A380-Werft Gerichtsurteile A380 -Werft Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH) Klage (vor Gericht) Fraport AG