Nachtflugverbot: Hessische Landesregierung geht in Revision gegen Urteil des VGH Kassel
Von: @cf <2009-12-16>
Die hessische Landesregierung wird gegen das Urteil des VGH Kassel zum Flughafenausbau Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen - um für die 17 Nachtflüge zu streiten. Ausbaugegner sehen den ultimativen Wortbruch

Wie erwartet wird die hessische Landesregierung gegen das Urteil des VGH Kassel zum Flughafenausbau Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Dies verkündete Minister Posch heute auf einer Pressekonferenz.

Als Grund gab Posch den Wunsch nach Rechtssicherheit beim Ausbau des Flughafens an. Es gebe" erheblichen und grundsätzlichen rechtlichen Klärungsbedarf", vor allem bei der "zentralen Frage der Bindungswirkung eines landesplanerischen Grundsatzes für die Planfeststellungsbehörde und des Verhältnisses von Landesentwicklungsplanung zur Fachplanung". Der VGH Kassel hatte in seinem Urteil die Auffassung vertreten, das das im Landesentwicklungsplan festgeschriebene Nachtflugverbot der Planfeststellungsbehörde nicht erlaubt, 17 Nachtflüge zuzulassen, und hatte eine restriktivere Nachtflugregelung gefordert. Die Landesregierung meint dagegen, die Planfeststellungsbehörde müsse sich nicht an den Landesentwicklungsplan halten, und zieht jetzt vor Gericht, um die 17 Nachtflüge zu verteidigen.

Als weiteren Grund gab Posch an, dass auch die Bundesregierung ein Interesse an einer höchstrichterlichen Entscheidung der Frage habe, ob die Landesplanung eine Planfeststellungsbehörde bindet. Außerdem habe der VGH Kassel mit der Zulassung der Revision einen Hinweis gegeben, dass eine grundsätzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erwünscht sei. Würde die Landesregierung nicht in Revision gehen und einen ergänzenden Planfeststellungsbeschluss erlassen, würde dieser sicher auch beklagt werden, rechtfertigte sich Posch, und der Fall würde so oder so beim Bundesverwaltungsgericht landen. Also könne man die Frage auch gleich klären, um noch vor der Eröffnung der Landebahn Rechtssicherheit zu haben.

Während sich der Minister hinter juristischen Details verschanzte, erwähnte er die Lärmbelastung der Betroffenen nur im Nebensatz. Die Revision sei keine politische, sondern eine juristische Entscheidung, meinte er. Zwischen den Zeilen der Pressemitteilung ist aber zu lesen, dass Posch primär "das Wirtschaftswachstum der Region und die Arbeitsplätze sichern" will, die Belastung der Menschen kommt erst an zweiter Stelle. Schon in früheren Äußerungen hatte sich Posch vom Nachtflugverbot distanziert. Ministerpräsident Koch äußerte sich bisher nicht.

Am 22. Dezember findet ein Sondersitzung des Landtags zum Thema Revision statt.

Harsche Kritik von der Opposition, Unterstützung von der Wirtschaft

Die Opposition im Landtag, die betroffenen Kommunen , Ausbaugegner und Umweltschützer ließen an der Ankündigung der Landesregierung kein gutes Haar - einigen gelang es, die schon gestern geäußerte Kritik nochmals zu überbieten.

Der hessische SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel bezeichnete das Vorgehen des Wirtschaftsministers als "politische Brandstiftung" und "neuen Tiefpunkt der Glaubwürdigkeit der hessischen Landesregierung". Der Vorsitzende der Grünen Al Wazir wiederholte die Kritik, die Landesregierung "vertrete nur noch die Interessen der Luftverkehrswirtschaft. Auch die LINKE warf Posch vor, er mache sich zum Handlanger der Luftfahrtunternehmen. Auch aus Rheinland-Pfalz kam Kritik. Verkehrsminister Hering meinte, es sei "bedauerlich, dass Zusagen gegenüber einer bereits massiv belasteten Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet und der rheinland- pfälzischen Landesregierung nicht eingehalten würden".

Die "Initiative Zukunft Rhein-Main" bezeichnete die Ankündigung Poschs als "vergiftetes Weihnachtsgeschenk für die Region". Die Versprechen der Landesregierung an die Menschen in der Region seien nur ein "groß angelegtes Betrugsmanöver" gewesen. Die ZRM äußerte sich dennoch optimistisch, dass die Richter in Leipzig der Gesundheit der Menschen eine höhere Priorität einräumen werde als den wirtschaftlichen Interessen einiger Airlines. Das Bündnis der Bürgerinitiativen" wirft der hessische Landesregierung vor, sie akzeptiere ein Gerichtsurteil nicht, das die Menschen vor Gesundheitsgefahren schützt. Damit sieht man beim BBI den "Höhepunkt zynischer Menschenverachtung" erreicht. Beonders verwerflich sei es, sich auch noch hinter der Bundesregierung zu verstecken. Der BUND hält die von Minister Posch aufgeführten juristischen Gründe nur für vorgeschoben.

Rückendeckung bekam die Landesregierung dagegen von der Wirtschaft. Bei einem absoluten Nachtflugverbot drohe "der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen", sagte der Geschäftsführer des hessischen Unternehmerverbands Fasbender. Auch der Bundesverband der deutschen Tourismuswirtschaft begrüßte die Revision. Lufthansa hatte die Landesregierung bereits explizit aufgefordert, für die Nachtflüge zu streiten.


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