Etwa 1000 Menschen nahmen zum Auftakt des Erörterungstermins zum Flughafenausbau an einer Kundgebung vor der Stadthalle Offenbach teil. Mit Transparenten und Plakaten protestierten sie gegen den Flughafenausbau und die parallel stattfindende Rodung des Bannwaldes für die A380-Halle. Vertreterinnen und Vertreter der Veranstalter - Initiative Zukunft Rhein-Main, Bürgerinitiativen und Umweltverbände - sprachen zu den Teilnehmern, umrahmt von fetziger Musik der "Überflieger". Für das leibliche Wohl war mit Kaffee, Kuchen und Schmalzbroten bestens gesorgt. Fröhliche Stimmung wollte trotz alledem nicht aufkommen. Zu groß waren Enttäuschung und Wut über die zur gleichen Zeit beginnende Rodung des Bannwaldes für die A380 Halle, für die das Bundesverwaltungsgericht letzte Woche grünes Licht gegeben hatte. Viele waren wegen des Gefühls "es ist ja sowieso schon alles entschieden, wozu noch zum Erörterungstermin kommen" an diesem trüben, regnerischen Montag vormittag gleich zu Hause geblieben.
Mit Transparenten und Plakaten demonstrieren 1000 Ausbaugegner gegen Flughafenausbau und Bannwald-Rodung. Auch viele Vertreter von Kommunen sind gekommen | Gegenüber machen etwa 50 Ausbau-Befürworter von Pro Flughafen und Fraport eine Gegen-Demo. Viele Plakate, aber die große Mehrheit für den Ausbau ist das auch nicht ... |
Als erster Redner ergriff der am Sonntag zum neuen Offenbacher Oberbürgermeister gewählte Horst Schneider das Wort: "Dass im Moment im Wald die Sägen kreischen, ist eine unglaubliche Provokation, die uns Fraport im Schulterschluss mit der Landesregierung zumutet". Schneider kritisierte den Ausbauantrag der Fraport, der "vor fachlichen Fehlern strotzen" würde.
Für die Bürgerinitiative Offenbach zählte danach Ingrid Wagner die wichtigsten Argumente auf, warum der Flughafen nicht ausgebaut werden sollte. "Käfighaltung in schallgedämmten Räumen ist nicht akzeptabel. Wir werden uns nicht damit abfinden, dass ein Teil des Rhein-Main-Gebiets zur Lärmmüllhalde verkommt, angestammte Wohngebiete unbewohnbar werden und oft mühsam erspartes und erarbeitetes Immobilieneigentum an Wert verliert", sagte Wagner in ihrer engagierten Rede. Sie forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, beim Erörterungstermin und anderswo "gemeinsam und selbstbewusst ihre Rechte wahrzunehmen".
Rede von Ingrid Wagner
"Lassen Sie ab von diesem irrsinnigen Beton-Ausbau", forderte Thomas Will, der für die Initiative Zukunft Rhein-Main gekommen war, Fraport und Landesregierung auf. Will: "Es gibt Grenzen des Wachstums". Wenn die Ausbaudiskussion in fünf bis zehn Jahren wieder vorn beginne, müssten Kindergärten und Wohnhäuser dem "Moloch Flughafen" weichen. Die Initiative Zukunft Rhein-Main vertraue trotzdem weiter auf die rechtsstaatlichen Verfahren.
Kreis GG: Nein zum Ausbau in Beton!
Für die Ausbaugegner aus Rheinland-Pfalz sprach anschließend der Mainzer Umweltdezernent Wolfgang Reichel, der in einem Bus gemeinsam mit 50 Mainzer Bürgerinnen und Bürgern nach Offenbach gekommen war. Reichel schimpfte nicht nur über die Ausbaupläne, sondern auch über die "Gruppeneinteilung" des Regierungspräsidenten für die Anhörung. "Da haben wir heute morgen fast zwei Stunden für den Weg von Mainz nach Offenbach gebraucht, und nun will man uns nicht in die Halle lassen, obwohl noch genug Platz wäre."
Auf dem Podium (von links): Horst Schneider, Wolfgang Reichel, Thomas Will, Winfried Heuser | Von links: Hartmut Wagner, Ingrid Wagner, Horst Schneider, Thomas Will. Schneider trägt "probeweise" einen ZRM-Aufkleber |
Für Stimmung sorgte dann der Raunheimer Bürgermeister Jühe durch seine deutlichen Worte. Er nannte den Ausbau einen "Irrweg", den die aus Politikern und Unternehmern bestehende "Luftverkehrs-Gang" beschreite, und warnte vor weiterer Zerstörung der Umwelt. "Wir werden alles bewegen, was denkbar ist", kündigte er an.
Als kurz nach 10 Uhr die Stadthalle immer noch gähnend leer war, ließ der RP die Teilnehmer über Lautsprecher dazu aufrufen, jetzt in die Halle zu kommen, weil man mit der Erörterung beginnen wolle. Da wurde Versammlungsleiter Hartmut Wagner das erste Mal richtig böse: "Wir lassen uns unseren Zeitplan nicht von Fraport vorschreiben!". Und natürlich ging die Kundgebung weiter. Später sprachen Thomas Norgall vom BUND Hessen und Winfried Heuser für das Bündnis der Bürgerinitiativen. Heuser meinte ironisch, er mache sich keine Sorgen wegen einer zu geringen Teilnehmerzahl. Wie die Fraport die Zahl der Arbeitsplätze hochrechne, würde er zusätzlich zu den Anwesenden mit "indirekten, induzierten und katalytischen Demonstranten" rechnen - dann würde die Halle platzen.
Der Regen will nicht aufhören. Das kann ganz schön den Spaß verderben. Trotzdem sind alle noch da | Nach dem Ende der Kundgebung stehen die Teilnehmer vor der Halle in der Schlange, um die Erörterung zu hören |
"Kein Baum wird mehr fallen." Dieses Versprechen der Politik nach dem Bau der Startbahn West, das an diesem Tag gebrochen wurde, wurde in vielen Reden als Beweis für die mangelnde Glaubwürdigkeit der Politik erwähnt, nachdem an diesem Tag Bannwald gerodet wird. An das jetzt versprochene Nachtflugverbot glaubte ebenfalls keiner. Alle forderten auf, trotz der aktuellen Rückschläge beim Widerstand gegen die Ausbaupläne nicht nachzulassen.
Nach dem Ende der Kundgebung zogen die meisten Teilnehmer hinüber zur Stadthalle, um den Beginn der Erörterung zu erleben. Mit Hilfe von Vollmachten von an diesem Tag zugelassenen Einwendern kamen schließlich fast alle in die Halle, die es wünschten. Nur die Mainzer waren aus Protest gleich wieder nach Hause gefahren. Mainz will erst am Freitag teilnehmen, wenn die Erörterung für alle offen ist. Pro Flughafen hatte schon vorher die Transparente eingerollt: zur Erörterung wollte von den Ausbau-Befürwortern wohl keiner.
Einige BUND-Mitglieder in Verkleidung zeigten vor dem Podium in einer originelle Performance, was sie vom Erörterungstermin halten: Eine Einwenderin überreicht ihre Argumente, wie Lärm, Schadstoffe oder "Joblüge" - derweil stoßen MP Koch, Fraport-Chef Bender und der Regierungspräsident mit einem Glas Sekt auf den Ausbau an und werfen die Einwendungen in den "Lärm"-Mülleimer. Viele reale Einwenderinnen und Einwender sahen es ebenso ...
Ein Schlaglicht auf die Stimmung warf eine "Abstimmung" des Regionalen Dialogforums (RDF), das sich ebenfalls vor der Halle aufgebaut hatte. Die Frage lautete, von wem sich die Menschen in Sachen Flughafenausbau am besten vertreten fühlten. Nur ein Bruchteil der Teilnehmer hatte mitgemacht, doch das Ergebnis war eindeutig: Bürgerinitiativen bekamen bei weitem die meisten Stimmen, auf Platz zwei folgten die Kommunen. Die Landesregierung erreichte bei der Abstimmung den letzten Platz: null Punkte. Dem Regierungspräsidium und der Justiz erging es mit einem bzw. zwei Punkten kaum besser.
Theater: RP Dieke, MP Koch und Fraport-Chef Bender stoßen auf den Ausbau an. Einwendungen landen im "Lärmmülleimer" | Vertrauensfrage: viele Punkte für Bürgerinitiativen und Kommunen, Null für die Landesregierung |
Kurioses am Rande: Für die Kundgebung gab es eine Auflage, die Lautsprecher nicht in Richtung Stadthalle zu richten. Begründung: es könne ja eine Fluglärm-CD abgespielt werden, und die Mitarbeiter des RP und von Fraport in der Stadthalle könnten sich durch den Lärm gestört fühlen! Tatsächlich wurde ab und zu Fluglärm von der CD eingespielt, doch eigentlich war das in Offenbach nicht nötig - es gab "Fluglärm live".
Mehr:
- Unfairen Berichterstattung in der Presse
PM der BIL Offenbach vom 13.09.2005 - PFV Landebahn - der Erörterungstermin
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