BVF: Umsetzung der EU-Richtlinie "lärmbedingte Betriebsbeschränkungen an Flughäfen" ist unzureichend
Entwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie abgelehnt
Von: @Bundesvereinigung gegen Fluglärm <2004-12-17>

Entwurf der "Achten Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung" zur Umsetzung der Richtlinie 2002/30/EG über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen an Flughäfen - Vorbereitung für die Zuleitung an den Bundesrat. Ihr Schreiben vom 29.11.04 LS 11/23.63.36-18

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir danken für die Beteiligung und teilen Ihnen nach Prüfung des Entwurfes mit:
wir lehnen den Entwurf der Änderungsverordnung in der vorgelegten Form ab.

Begründung:
Der Entwurf der Änderungsverordnung setzt die EU-Richtlinie 2002/30/EG nicht vollständig um.

Die Umsetzung der EU-Betriebsbeschränkungs-Richtlinie ist - wenn auch nicht fristgerecht - grundsätzlich zu begrüßen. Sie verdeutlicht die unterschiedlichen konzeptionellen Ansätze des EU-Rechts und des bundesdeutschen Luftverkehrsrechts im Bereich der Betriebsbeschränkungen. Dies betrifft insbesondere die konzeptionellen Ansätze (hier die Umsetzung des ausgewogenen Ansatzes - balanced approach - der EU-Betriebsbeschränkungs-Richtlinie), die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Transparenz des Verfahrens insgesamt.

Andererseits führt die isolierte Umsetzung der EU-Betriebsbeschränkungs-Richtlinie ausschließlich für die "knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeuge" zu einer weiteren Zersplitterung des bundesdeutschen Fachplanungsrechts, die nicht sachdienlich ist. Sie ist aber auch nicht richtlinienkonform, da die Ziele der Richtlinie nicht beachtet wurden. Ziel der EU-Richtlinie (Art.1) ist u.a.:

" a) Festlegung von Vorschriften für die Gemeinschaft, um eine kohärente Einführung von Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen zu erleichtern und damit die Zahl der von den nachteiligen Auswirkungen des Fluglärms betroffenen Menschen zu begrenzen oder zu reduzieren,"

Das Ziel wird mit dem Umsetzungsvorschlag verfehlt, was die BVF auch gegenüber der Kommission zum Ausdruck bringen wird, wenn der Anwendungsbereich der Regelungen nicht allgemein auf Betriebsbeschränkungen erweitert wird.

Mindestvorgaben der Betriebsbeschränkungs-Richtlinie in konzeptioneller Hinsicht sowie bei der Beteiligung und der Transparenz müssen allgemein für Betriebsbeschränkungen auf bundesdeutschen Flughäfen für anwendbar erklärt werden. Dies betrifft im vorliegenden Entwurf die §§ 48 a, 48 b Abs. 3 und Abs. 4, 48 c (mit Anlage 5), 48 e. Dies wäre ein Schritt hin zu einer Vereinheitlichung des Verkehrsinfrastrukturrechts, zu einer Angleichung, etwa an die Grundlage für Verkehrsbeschränkungen auf Straßen, § 45 der Straßenverkehrsordnung. Wünschenswert wäre hier eine Weiterentwicklung hin zu einer allgemeinen Rechtsgrundlage für nachträgliche Anordnungen bei schädlichen Immission von bestehenden Verkehrsanlagen, wie sie etwa in § 437 des Entwurfes eines Umweltgesetzbuches (UGB - KomE 1998) formuliert wurde:

"§ 437 Nachträgliche Anordnungen bei schädlichen Immissionen von bestehenden Verkehrsanlagen

  1. Werden von einer bestehenden Verkehrsanlage oder mehreren bestehenden Verkehrsanlagen schädliche Immissionen hervorgerufen, sollen nachträgliche Anordnungen getroffen werden. Anordnungen können auch zur Vorsorge gegen Risiken getroffen werden. Zu diesem Zweck haben sich die für die Zulassung der Anlage, die für Verkehrsregelungen und die für Immissionsschutz zuständigen Behörden abzustimmen. Die für die Zulassung zuständige Behörde kann dem Träger der Verkehrsanlage bauliche Maßnahmen und sonstige Vorkehrungen auferlegen, soweit diese nicht unverhältnismäßig und mit dem Vorhaben nicht unvereinbar sind. Die für Verkehrsregelungen zuständige Behörde kann den Verkehr auf der Verkehrsanlage beschränken. Widmungsänderungen zum Schutz vor Verkehrsimmissionen nach dem Straßenrecht des Bundes und der Länder bleiben unberührt.
  2. Sind nach Abs. 1 schädliche Immissionen hinzunehmen, hat der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Aufwendungen für die erforderlichen Schutzmaßnahmen. Dies gilt nicht, soweit Immissionen wegen der Besonderheit der Anlage des Eigentümers oder der tatsächlichen oder geplanten Nutzungsart des Gebiets zumutbar sind.
  3. Sind nach Abs. 2 gebotene Schutzmaßnahmen unverhältnismäßig, so hat der Eigentümer eines Grundstücks Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn das Grundstücke durch von der Verkehrsanlage ausgehende schädliche Immissionen in seinem Wert wesentlich gemindert ist. Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
  4. Die Ansprüche nach Abs. 2 und 3 richten sich gegen den Träger der Baulast, den Träger des Schienenweges oder den Flugplatzhalter. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner."

Durch die Begründung des Verordnungsentwurfes nicht hinreichend geklärt scheint die Frage einer Abstimmung mit der Umsetzung der Umgebungslärm-Richtlinie der EU.

Zu den einzelnen Vorschriften:

Die Begriffsbestimmung des ausgewogenen Ansatzes in § 48 a Nr. 6 wird begrüßt. Mit der Benennung von Beispielen (Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, Flächennutzungsplanung und Flächennutzungsverwaltung, lärmmindernde Betriebsverfahren und Betriebsbeschränkungen) wird verdeutlicht, dass passive Lärmschutzmaßnahmen keine Lösung des Lärmproblems in diesem Sinne bringen.

Zu § 48 b Abs. 1 wird angeregt, klarstellend und in Übereinstimmung mit anderen Vorschriften im bundesdeutschen Planungs- und Immissionsschutzrecht (vgl. §§ 5 Abs. 1, 17 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz) einzufügen, dass es um den vom Flugbetrieb "auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft" ausgehenden Lärm geht. Die Vorschrift ist drittschützend angelegt und sollte auch hinreichend deutlich so formuliert sein.

In § 48 b Abs. 3 sollte zum Ausdruck kommen, dass passive Schallschutzmaßnahmen keine "möglichen Maßnahmen zur Lösung des Lärmproblems" i. S. des Satzes 1 sind. Es handelt sich um reine Folgenbewältigungsmaßnahmen. In der Begründung kommt dies zu I. (S. 11 der Vorlage) hinreichend deutlich zum Ausdruck, wenn dort von "Möglichkeiten der Lärmminderung" die Rede ist, zu denen eindeutig die passiven Schallschutzmaßnahmen nicht gehören, da sie keinerlei Lärmminderung zur Folge haben.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der konzeptionelle Ansatz der EU-Betriebsbeschränkungs-Richtlinie und konsequenterweise auch ihre Umsetzung in das bundesdeutsche Recht ein anderer ist, als derjenige der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Insoweit ist die Klarstellung in der Begründung zu § 48 b (S. 13) zu begrüßen: "Soweit mit der Einführung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen in die Bestandskraft der Entscheidung über den Flugbetrieb eingegriffen wird, ist dies im Grundsatz unproblematisch, da mit dieser Entscheidung ein Anspruch vom Flugbetrieb betroffener Dritter im Sinne einer Ermessensentscheidung anerkannt worden ist, von der Luftfahrtbehörde nachträgliche Einschränkungen der luftfahrtrechtlichen Genehmigung des Flughafens durch Teilwiderruf oder nachträgliche Auflagen verlangen zu können (...)."

Die EU-Betriebsbeschränkungs-Richtlinie und ihre Umsetzung in bundesdeutsches Recht verfolgen mit dem ausgewogenen Ansatz eine Lösung des Lärmproblems durch Lärmminderung (Reduzierung an der Quelle, Flächennutzungsplan, lärmmindernde Betriebsverfahren, Betriebsbeschränkungen), die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegen. Erst wenn die Lärmminderung insgesamt nicht verhältnismäßig ist, kommen danach passive Maßnahmen zur Problemlösung in Betracht. Dieser Ansatz trägt auch dem Grundsatz des Vorrangs planerisch gestaltender Lösung in Rechnung, wie er in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil zum Flughafen Erfurt vom 27.10.1998 - BVerwG 11 A 1/97 -) entwickelt wurde. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in der Folge zu nachträglichen Ansprüchen eine anderweitige Rechtsprechung entwickelt, die in Auslegung der Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen und deren Ausschlusswirkung (§ 9 Abs. 3 LuftVG) davon ausgeht, dass Betroffene in der Regel als für den Flughafenbetreiber als möglichem Adressaten einer Betriebsbeschränkung milderes Mittel nur passive Schutzmaßnahmen erlangen können und dies rechtssystematisch dahingehend entwickelt, dass Betriebsbeschränkungen keine Schutzmaßnahmen i.S. von § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sind und damit lediglich als "letztes Mittel" nach §§ 48, 49 VwVfG in Betracht kommen (vgl. etwa Beschlüsse vom 10.10.2003, 16.12.2003, 26.02.2004). Da die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Systematik keinesfalls zwingend im Gesetz angelegt ist und auch der bisherigen Praxis der Landes-Luftverkehrsbehörden i.d.R. nicht entspricht, ist es zu begrüßen, wenn nunmehr auf Regelungsebene eine andere Lösung favorisiert wird.

Der Richtlinienentwurf enthält also nicht das Wesentliche der EU-Richtlinie: die generelle Möglichkeit, aus Umweltgründen Betriebsbeschränkungen an besonders belasteten Flughäfen einzuführen. Er weist nicht einmal darauf hin, dass mit der Neuregelung die Betriebspflicht der Flughäfen aufgehoben ist und dass deshalb auch Änderungen im LuftVG vorzunehmen sind.

Aus diesem Grunde ist der Entwurf auch nicht geeignet, das von Ihnen erwähnte EU-Vertragsverletzungsverfahren zu beenden. Der Entwurf ist in der vorgelegten Form abzulehnen.

Wir hoffen, dass Sie die obigen Vorschläge übernehmen werden und verbleiben

mit freundlichen Grüßen
Joachim Hans Beckers
Präsident der BVF

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Fluglärmschutz Bundesregierung (Deutschland) BVF

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