Konzept für Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen vorgestellt
Von: @cf <2017-11-09>
Verkehrsminister Al-Wazir hat eine freiwillige Vereinbarung für eine Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen vorgestellt. Nicht alle sind davon begeistert. Zusammenfassung der wichtigsten Infos HIER [aktualisiert 17.11.2017].

Verkehrsminister Al-Wazir hat heute die konkrete Vereinbarung für eine Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen vorgestellt. Fraport, Luftverkehrsgesellschaften, Forum Flughafen und Region und die Fluglärmkommission haben sich auf einen Kompromiss geeinigt und und ein freiwilliges Bündnispapier unterzeichnet. Mit der Vereinbarung soll die Fluglärmbelastung in der Region beschränkt werden, ohne die Entwicklung des Flughafens zu behindern.

Die jetzt eingeführte Lärmobergrenze entspricht im wesentlichem dem Konzept, dass Al-Wazir vor etwa einem Jahr vorgestellt hat. Beschränkt wird nicht die Zahl der Flugbewegungen, sondern das Gebiet, in dem die Fluglärmbelastung hoch (mehr als 55 dB(A)) oder besonders hoch (mehr als 60 dB(A)) ist. Bei der maximal genehmigten Zahl von Flugbewegungen würde diese Fläche (laut Angaben des Ministeriums) um ca. 11000 Hektar (Hoch Betroffene) bzw. ca. 5100 Hektar (Höchstbetroffene) steigen. Die Lärmobergrenze beschränkt diesen Zuwachs auf 3276 bzw. 1178 Hektar. Dabei wird als Ziel angegeben, den Dauerschallpegel pauschal um 1,8 d(A) gegenüber dem nach dem Planfeststellungsbeschluss maximal zu erwartenden Dauerschallpegel zu senken.

Einfacher ausgedrückt, wird es also rund um den Flughafen nicht unbedingt leiser, es soll aber auch nicht wesentlich lauter als heute werden - in den hoch und besonders hoch betroffenen Gebieten. Etwas weniger (aber immer noch deutlich) belastete Gebiete werden von der Vereinbarung nicht geschützt. Lärmverschiebungen bei eventuellen Problemen mit der Lärmobergrenze wären also denkbar. Das Ministerium geht aber davon aus, dass die Lärmobergrenze generell einen Anreiz zum leiseren Fliegen bietet und deshalb allen Betroffenen in der Region zu Gute kommt.

Die Vereinbarung zur Lärmobergrenze ist freiwillig. Planfeststellungsbeschluss und Betriebsgenehmigung werden nicht tangiert. Die Grenze soll jährlich überprüft werden. Sollte es zu einer Überschreitung kommen, tritt ein mehrstufiges Verfahren zur Lärmreduzierung in Kraft. Erst wenn das nicht hilft, kündigte Minister Al-Wazir härtere Maßnahmen an, ohne konkreter zu werden. Eigentlich rechnet aber niemand damit, das der "Ernstfall" eintreten wird. Forderungen von Fluglärmbetroffenen nach regelmäßiger Absenkung der Obergrenze oder lokalen Lärmobergrenzen wurden in der Vereinbarung nicht nicht berücksichtigt.

Material vom Ministerium

Einige Fernseh- und Presseberichte:

Reaktionen der Beteiligten und Betroffenen

Bürgerinitiativen

Das Bündnis der Bürgerinitiativen sieht in der Vereinbarung keinen wesentlichen Fortschritt. Kritikpunkte sind unter anderem, dass es nicht leiser wird, sondern nur der Anstieg des Lärms gebremst wird, und dass keine Sanktionen bei Überschreitung vorgesehen sind. Da man aber weit von den möglichen 700000 Flugbewegungen entfernt sei, tue die Vereinbarung auf längere Sicht niemandem weh, meint das BBI. Auch Fluglärmgegner aus Rheinland-Pfalz sehen die Vereinbarung skeptisch. Verbesserungen in Rheinland-Pfalz erwarten sie davon nicht. Einige BIs sehen in der Lärmobergrenze einen Schritt in die richtige Richtung, auch wenn der Lärm noch deutlich weniger werden muss.

Nicht alle Betroffenen können der Lärmobergrenze etwas abgewinnen. Ein hoch belasteter Bürger aus Eddersheim beschreibt in der FNP, warum ihm die die Lärmobergrenze wenig bringt: der Lärm wird dadurch auf absehbare Zeit nicht weniger.

Luftverkehr, Wirtschaft

In den offiziellen Verlautbarungen begrüßen Flughafen und Luftverkehrswirtschaft den gefundenen Kompromiss, in den eigenen Pressemitteilungen gibt es auch kritische Töne.

Die IHK Frankfurt lobte die Vereinbarung zur Lärmobergrenze als gelungenen Ausgleich zwischen den Interessen des Luftverkehrs und dem Lärmschutz. Positiv wird hier gesehen, dass das Wachstum der Flugbewegungszahlen nicht eingeschränkt wird, solange es nicht lauter wird; so werde die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens nicht gefährdet. (Nachrichtenquelle: Frankfurter Rundschau).

Fluglärmkommission

Der Vorsitzende der Frankfurter Fluglärmkommission Jühe freut sich über die Lärmobergrenze: sie sei ein "erster wichtigen Schritt zur Erreichung einer verbindlichen Regelung auf gesetzlicher Grundlage", auch wenn die Forderungen der Kommission über die jetzige Vereinbarung hinausgingen. Mehr in der Pressemitteilung der Fluglärmkommission.

Das sagt die Politik

Die Parteien im hessischen Landtag äußern sich teils zustimmend, teils ablehnend. Die CDU sieht in der vorgestellten Einigung auf einer Lärmobergrenze einen "Schritt von allergrößter Bedeutung" für eine geringere Lärmbelastung. Man setze damit eines der schwierigsten Elemente des Mediationsergebnisses um. Die Vereinbarung werde den Menschen, die am Flughafen arbeiten, ebenso gerecht wie den Bewohnern der Region. Die Grünen loben die Bedeutung der Vereinbarung: die Luftverkehrswirtschaft müsse dadurch die Lärmminderung zu einem wichtigen Teil ihrer Strategie machen. Dies sei wirksamer als behördliche Auflagen. Die SPD sieht dagegen in der vorgelegten Vereinbarung nur ein Placebo. Die jetzt vereinbarte Lärmreduzierung sei im Kern längst erreicht. Die Linke kritisiert, dass die Vereinbarung eine Zunahme der Flugbewegungen ermögliche und auch noch freiwillig sei. Die FDP sieht die Freiwilligkeit des Abkommens dagegen als Vorteil und loben, dass es keine Kapazitätsbeschränkung gibt.

Der Kreis Groß-Gerau kritisiert die Lärmobergrenze, weil es damit nicht wirklich leiser wird, sondern nur weniger laut als ursprünglich angenommen, und weil die Forderungen nach regelmäßiger Absenkung der Grenze und lokalen Grenzwerten nicht erfüllt sind. Mehr in der Pressemitteilung des Kreises Groß-Gerau.

Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz bewertete die Lärmobergrenze skeptisch. Ministerpräsidentin Dreyer verspricht sich davon nicht weniger Fluglärm in ihrem Bundesland. Umweltdezernentin Eder lobte, dass zum ersten Mal überhaupt dem unbegrenzten Wachstum des Fluglärms eine Grenze gesetzt worden sei, kritisierte aber, dass es nicht leiser wird und die Vereinbarung freiwillig ist (siehe Pressemitteilung).

Die Frankfurter Umweltdezernentin Heilig (Grüne) dankte Lobte Minister Al-Wazir für die Umsetzung der Lärmobergrenze und sprach von einer "Trendwende in der hessischen Landespolitik" (Nachrichtenquelle: Frankfurter Rundschau).

Der (ausbaukritische) Arbeitskreis "Region und Flughafen" der SPD-Hessen-Süd lässt an der Lärmobergrenze dagegen kein gutes Haar: "Die Vereinbarung stellt den nächsten Vertrauensbruch dar, den Fraport gemeinsam mit der Landesregierung an den in Rhein-Main-Gebiet lebenden Bevölkerung begeht", heisst es in der Pressemitteilung vom 08.11.2017.

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Lärmobergrenzen (LOG) Fluglärmschutz Wirtschaftsministerium, hessisches Verschiebung von Fluglärm

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