Am Montag, den 31.10.2005, wurde zunächst weiter über TOP 4.2, "Betriebliche Grundlagen und Bezugszeitraum für Auswirkungsprognosen", diskutiert. Der größte Teil des Tages war verschiedenen flugtechnischen Fragen gewidmet. Gegen Abend wurde mit Punkt 4.3. "Einbeziehung der Umweltauswirkungen ausgehend vom vorhandenen und plangebenden Bestand" begonnen.
Der heutige Bericht wurde mit geringen Modifikationen und Kürzungen aus einem Protokoll der Stadt Trebur übernommen, wir danken für die ausführlichen Aufzeichnungen.
Flugkorridore
Ein Vertreter der DFS erläuterte in einer kurzen Präsentation die Flugrouten und die Flugkorridore (zugelassene Streuungsbereiche) darum herum. Der Streuungsbereich rechts und links von der Flugideallinie hänge von Funknavigationsanlage ab, dort wo eine stehe, würde genauer geflogen. Bei Kurvenflug sei die Streuung ("Flugerwartungsland") größer als beim Geradeausflug. Um TABUM (Nordabflugroute über den Taunus) gebe es einen großen Bereich "Flugerwartungsland". Hier werde, so die DFS, über Satellit navigiert. Wo die Funknavigationsanlagen aufgestellt werden, entscheidet die DFS.
Karten der "Flugerwartunggebiete" für den Ausbaufall gebe es nicht. Auf die Frage, ob das Luftfahrtbundesamt Anzeigen gegen Piloten, die außerhalb der zugelassenen Korridore fliegen, verfolgt, meinte die DFS, das wisse man nicht, dies sei aber so üblich.
Und nochmal Fehlanflüge
Danach gab es eine Präsentation des Fehlanflugverfahrens für die Nordwestbahn. Die DFS erläuterte die Abhängigkeit zwischen Fehlanflügen auf der Nordwestbahn und der nach Norden abdrehenden Abflugroute. Die Verfahrensschutzräume seien Festlegungen vom 18.9.99 (also aus der Mediation). Wenn auf dem Frankfurter Flughafen beim Fehlanflug ein Verfahren wie auf dem JFK-Flughafen New York üblich und von Herrn Faulenbach da Costa an einem der vergangenen Tage vorgeschlagen, angewendet würde, gäbe es eine Überlagerung der Verfahrensschutzräume. Die Simulation von Herrn Heldmaier sei ebenso nicht richtig.
Fraport sagte auf Anfrage, für die Nordost-Variante seien diese Verfahren nicht ausgearbeitet worden. Auf die Frage des RP, ob der hohe Anteil von "Südabflügen", der für die Nordwestbahn geplant ist, auch bei den anderen Varianten möglich sei, meinte Fraport, dies sei möglich, aber aus flugbetrieblichen Gründen nicht erforderlich. Auch bei der Variante Nordost würde man Abhängigkeiten im bestehenden System bekommen. Man wolle aber nicht bewusst Kapazität vernichten. Die Abflugrouten seien mit der DFS abgestimmt, es gäbe keinen Anlass für eine Variantenänderung. Die DFS ergänzte, die Nordostvariante sei sogar weniger günstig als die Variante Nordwest. Fraport betonte nochmals, die Südumfliegung bei der Nordwestvariante sei zwingend. Es werde nur einen Anteil von 1,6% Nordabflügen geben.
Auslastung des Bahnensystems
Die DFS antwortete hier auf verschiedene Fragen von Einwendern zur Verteilung von Flugbewegungen auf die Bahnen und zur Kapazität. Es sei eine gleichmäßige Auslastung der Bahnen vorgesehen. 120 Flugbewegungen pro Stunde bedeuteten nicht immer 60 Starts und 60 Landungen, es könnten auch 70 Landungen und 50 Starts sein, also in diesem Fall 35 pro Bahn. Bei der Verteilung auf die Bahnen in der (DFS)Simulation habe man den Flugplan von Fraport zugrunde gelegt, was sonst noch möglich wäre, sei Spekulation. Mehr als 120 Flugbewegungen pro Stunde seien zeitweise möglich. Die DFS sei beim Koordinierungseckwert eine von vielen Beteiligten. Zu diesem Thema müsse man den Flughafenkoordinator befragen: "Wir sind nicht die Fachbehörde für die Festlegung des Koordinierungseckwertes."
ICAO-Richtlinien oder Cowboy-Flug?
Im Anschluss wurde über die Bedeutung der ICAO-Richtlinien debattiert. Herr Heldmaier, der die ZRM-Simulation vorgestellt hatte, kritisierte, Starts von der Nordbahn seien alle 40 Sekunden geplant, von der Startbahn West aber im Abstand von einer Minute. Das ist unrealistisch. "Das Flugzeug kann nicht in 40 sec den Startvorgang beenden. Würde man die Simulation so machen, dann würde das System zusammenbrechen."
Zum "Start of climb" (der Punkt, an dem das Fugzeug beim Durchstarten beginnt, wieder zu steigen, sagte Heldmaier, in London sei eine 90-Grad-Kurve vorgeschrieben. Auch dort würde man sich an die ICAO-Richtlinien halten, man würde dort allerdings langsamer fliegen. Zu den Ausführungen der DFS meinte Heldmaier: "Ich wehre mich heftig dagegen, zu behaupten, nach einer 2.800 m langen Bahn kann ein Fugzeug nicht in eine 30-Grad-Kurve fliegen", und verwies auf Gespräche mit Fluglotsen und anderen Piloten. Antwort der DFS: "Die Planungsvorgabe ist maßgebend, nicht, was der Pilot als Cowboy fliegen kann".
Auf die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Weisung des Bundesverkehrsministeriums, die ICAO-Richtlinien zu verwenden, sagte die DFS, die ICAO-Richtlinien seien kein bindendes Recht, sondern ein gültiger Standard, streng juristisch betrachtet Empfehlungen: "Wir haben uns an dieses Buch zu halten." Rechtsgrundlage sei §31d LuftVerkehrsgesetz. Das Bundesverkehrsministerium gebe vor, die ICAO-Richtlinien durchzusetzen, und das Ministerium sei die Regelungsbehörde. Rechtanwalt Schmitz beantragte, die entsprechende Weisung des Ministeriums zu beschaffen.
Die DFS erläuterte weiter, sie plane das Fehlanflugverfahren. Es gebe aber auch "weiche" Faktoren, zum Beispiel in Bezug auf unterschiedliche Typen von Flugzeugen, Verkehrsmix, Konstellation der Landebahnen etc. Ausnahmegenehmigungen des Ministeriums seien möglich, Fraport habe aber keine Veranlassung, vom Standardverfahren abzuweichen.
Zur Festlegung der Betriebsrichtung erläuterte die DFS, das Kontrollpersonal lege die Betriebsrichtung fest, entscheidend sei der Rückenwind am Boden. Bei Schwachwindlagen werde grundsätzlich die Betriebsrichtung 25 (West) genutzt. Dies sei eine Entscheidung der Fluglärmkommission.
Nachtflugverbot?
Rechtsanwalt Diederichsen fasste die bisherige Diskussion des Tages dahingehend zusammen, die Diskussion sei schwer nachzuvollziehen. Die Konfigurationsanalyse müsse überprüft werden. Man könne nicht erkennen, warum man für die Nordwest-Variante die Südumfliegung gerechnet habe und für die anderen Varianten nicht. "Ist das wirklich ein Gesichtspunkt: Das brauchen wir nicht, das müssen wir nicht, das machen wir nicht? Die Varianten sind nur solange vergleichbar wie man sie mit gleichen Bedingungen untersucht." Diederichsen forderte für seine Mandanten, die Nordost-Variante als sich aufdrängende Alternative ebenfalls genauer zu untersuchen.
Weiter bemängelte Diederichsen, dass man bei der Untersuchung der Auswirkungen im Planungsfall ein Nachtflugverbot unterstellt habe. Schließlich werde verfahrenstechnisch im PFV ein 24-Stunden-Betrieb beantragt, während man parallel ein Verfahren zur Änderung der Betriebserlaubnis für das Nachtflugverbot habe. Es seien bereits Klagen gegen das Nachtflugverbot von Fluglinien angekündigt worden. So werde Lufthansa als Fraport-Miteigner gegen das Verbot mit allen Mitteln vorgehen. Deshalb müsse der uneingeschränkte 24-Stunden-Betrieb in allen Varianten untersucht werden, auch der worst-case mit einem erweiterten Bahnensystem bei 24-Stunden-Betrieb. Er verwies auf das Lärmgutachten 12.1: Die Lärmmediziner gingen auch nicht davon aus, das es zu einem Nachtflugverbot komme.
Welche Vorbelastungen sind zu berücksichtigen?
Am späten Nachmittag begann die Diskussion von Punkt 4.3, "Einbeziehung der Umweltauswirkungen ausgehend vom vorhandenen und plangebenden Bestand", mit den Unterpunkten
4.3.1 Berücksichtigung des bestehenden Flughafens
4.3.2 Berücksichtigung bereits zugelassener Vorhaben (z.B. A380-Werft, CCT-Werft).
Hier ging es teilweise wieder recht juristisch zu.
Erstes Thema war die Ticona. Rechtsanwalt Scheidmann meinte, die Vorbelastung für Ticona sei bereits fehlerhaft ermittelt. Er schilderte die möglichen Risiken für die Ticona durch Anflüge auf die geplante Nordwestbahn, hier würde eine neue Risikosituation entstehen, die wesentlich anders wäre als die jetzige. Hingewiesen wurde z.B. auf die Gefahr durch Wirbelschleppen, wenn Mitarbeiter in 30m Höhe an den Anlagen Kontrollen vornehmen müssten, mögliche Störungen durch elektromagnetische Wellen, Lärmbelastung, die die Kommunikation im Werk behindere u.s.w. Aufbauten bei Ticona müssten gekürzt oder einknickbar gebaut werden. Bei Revisionen alle 2-3 Jahre würden 80 Meter hohe Kräne auf dem Werksgelände eingesetzt. Hierzu müsste man dann eine Genehmigung der Luftverkehrsbehörde einholen. Das sei aber nur möglich, wenn die Aktion vorher planbar sei. Im Fall plötzlich auftretender Probleme müsse der Kran von einem Tag zum anderen zum Einsatz kommen, dann müsse man entweder die Landebahn oder die Anlage bei Ticona stilllegen. Aus all diesen Gründen sei eine Landebahn NW nicht akzeptabel und nicht vereinbar mit Seveso-II-Richtlinie. Es gebe ein Risikominimierungsgebot. Fraport bestritt genau dies.
Rechtsanwalt Schmitz äußerte sich ebenfalls zur Vorbelastung. Diese könne sich laut Bundesverwaltungsgericht schutzmindernd auswirken. Es gebe aber auch Grenzen bei schutzmindernden Vorbelastungen. In Zusammenhang mit dem A380-Verfahren vom 31.5.2005, führe der VGH Kassel aus; das Zusammenwirken von CCT- und A380-Werft sei zu prüfen. Im Ausbauverfahren seien die Auswirkungen kumulativ zu berücksichtigen. Das Urteil sei rechtskräftig. (also Vorbelastungen und Auswirkungen im Ausbaufall summieren). Dazu Fraport: A380-Werft und CCT-Halle seien im Planungsfall und im Nullfall in ihren Auswirkungen berücksichtigt. Herr Amann: "Was vorher schon versiegelt ist, ist auch nachher versiegelt."
Am Rande ...
Rechtanwältin Fridrich stellte den Antrag, die Präsentation der Fraport zum Thema "Fehlanflugverfahren Landebahn Nordwest" als Kopie ui erhalten (was eigentlich selbstverständlich sein sollte). Fraport wollte diese aber nicht herausgeben. Daraufhin forderten die Anwälte das RP auf, hier einzuschreiten und die Unterlagen zu beschaffen. Das wurde offenbar getan: am Nachmittag wurde verkündet, man könne sich auf einer Liste eintragen, um eine Kopie der gewünschten Unterlagen zu erhalten. Immerhin ein kleiner Erfolg!
PFV Landebahn Nordwest Erörterungstermin Flugrouten Regierungspräsidium Darmstadt