"Wenn wir die heutigen Sicherheits-Standards im Luftverkehr beibehalten, haben wir im Jahr 2020 jede Woche einen Unfall." So fasste Wolfgang Philipp, Senior Director für Verkehrsmanagement bei der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel, die beunruhigenden Ergebnisse einer neuen Studie im Auftrag von Eurocontrol vor.
Der Luftverkehr werde in nächster Zeit stark zunehmen. Nach der Erfahrung von Fluglotsen und Versicherungsunternehmen steigt damit die Unfallwahrscheinlichkeit drastisch an. "Das Risiko steigt mit der dritten Potenz", sagte Philipp. "Doppelter Verkehr bedeutet achtfaches Risiko".
Die Diskussion um Sicherheit vor Terroranschlägen habe die Diskussion um die Flugsicherheit in den Huntergrund rücken lassen. "Wenn wir den heutigen Level halten wollen, müssen wir Systeme einführen, die nur die Sicherheit und nicht die Kapazität oder den Komfort erhöhen", meinte Philipp weiter.
Das Unglück von Überlingen, bei dem zwei Maschinen zusammenstießen und 71 Menschen ums Leben kamen, hat einige Defizite in der Flugsicherheit aufgezeigt. Zwar hatten beide Flugzeuge ein automatisches Kollisionswarnsystem. Da aber keine international eindeutigen regeln für den Umgang mit dem Kollisionswarnsystem existieren, wurden die Warnungen des Systems teils missachtet, teils fehlinterpretiert - mit den bekannten verheerenden Folgen. Dazu war die zuständige Flugsicherungsstelle personell unterbesetzt. Eine Kombination von menschlichem Versagen und technischen Problemen hatte zu den falschen Anweisungen des eines Fluglotsen an die Piloten der Flugzeuge geführt und das Unglück ausgelöst.
Auch am Boden stünde nicht alles zum besten. "Die Flughäfen werden immer unübersichtlicher, weil man an jeder Ecke anbaut", monierte Philipp. Die Studie ergab, dass nur zehn von 37 der größten Flughäfen Europas mehr als 70 Prozent eines Kataloges von Sicherheitsanforderungen erfüllten. 21 kamen auf 35 bis 70 Prozent, und sechs blieben sogar noch unter 35 Prozent. An vielen Airports würden die Verkehrsregeln der Internationalen Zivilluftfahrt- Organisation ICAO ein sicheres Management der Flugzeuge auf Roll- und Startbahnen nicht mehr gewährleisten. Auch dies birgt ein hohes Risiko, wie der schwerste Unfall der Zivilluftfahrt, die Kollision zweier Jumbos auf dem Flughafen von Teneriffa 1977, gezeigt hat.
Philipp forderte, für Kollisions-Warnsysteme müssten rasch weltweit einheitliche Regeln festgelegt werden.In den vielbeflogenen Korridoren über Mitteleuropa, wo in 17 Prozent der Fläche des Eurocontrol- Einflussbereichs 70 Prozent des Verkehrs stattfänden, müssten sowohl ACAS-Systeme als auch Höhenunterschreitungs- und Mittelfrist-Konfliktalarm-Systeme vorgeschrieben werden. Zudem müsse besser wissenschaftlich untersucht würden, welche Umstände zu menschlichem Versagen führten. Wenn Systeme immer undurchsichtiger würden, brauche man die Akzeptanz der Fluglotsen, damit sie sich nicht entmündigt fühlten.
Bei der erwarteten Zunahme des Verkehrs seien Zwischenfälle an europäischen Flughäfen "jeden zweiten, dritten Tag möglich", warnte Philipp. Deshalb sei es notwendig, dass man die Verfahren anpasst und "Staaten, die sich nicht daran halten, vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen kann".
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