Pressemitteilung vom 28.2.2005
Hilferuf an Bundeskanzler:
Arbeitsplatzprognosen der Fraport AG falsch - Zahlen bereinigt - Bitte um unabhängigen Gutachter
Am heutigen Tage sendete eine Gruppe um den Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Friedrich Thießen einen offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Bürger erhoffen sich von der Bundesregierung eine unabhängige Überprüfung der Arbeitsplatzversprechen der Fraport AG. Da die Umweltauswirkungen durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens unbestritten seien, müsse das einzig verbliebene pro Ausbau-Argument einer sehr sorgfältigen Prüfung unterzogen werden.
Die Fraport AG forciere aus Eigennutz den Ausbau in Frankfurt am Main. Mit Unterstützung von Ministerpräsident Roland Koch werde bei den Menschen die Angst vor Verelendung geschürt. Es würden unseriöse Arbeitsplatzversprechen auf der Basis unhaltbarer Gutachten gemacht.
Die Gruppe bittet den Bundeskanzler und seinen Wirtschafts- und Finanzminister um unabhängige Überprüfung der Arbeitsplatzgutachten zum Flughafenausbau, da nach Studium der Akten zum Planfeststellungsverfahren, gravierende Mängel festgestellt worden seien. Im Sinne einer zuverlässigen Arbeitsmarktpolitik, so die Unterzeichner, müssten heute mehr denn je, die Versprechen der börsennotierten Unternehmen überprüft werden.
- Am gravierendsten erscheint der Gruppe die medienwirksame Täuschung der Öffentlichkeit durch unseriöse Berechnung von induzierten und katalytischen Arbeitsplätzen auf der Grundlage von nicht-aktualisierten Zahlen UND von bereinigten Daten:
Die Region Rhein-Main hat in den Jahren 1984 bis 1996 (also nach Bau der Startbahn West) laut Gutachten eine negative Entwicklung der regionalen Beschäftigtenquote zum Landesdurchschnitt von 106,6 auf 104,6 gehabt.
Die Gutachter beschließen, diesen Effekt um die Bevölkerungszuwanderung zu "bereinigen": Sie entfernen 160.00 Menschen aus ihrer Statistik, damit sie auf eine bessere Arbeitsplatzentwicklung kommen. - Weder in den Mediations-, noch in den Raumordnungs- oder Planfeststellungsunterlagen wären die Untersuchungen zu den Arbeitsmarktentwicklungen nach Ausbau ergebnisoffen und wissenschaftlich korrekt durchgeführt worden.
Einzige Ausnahme sei das heute aus den Akten verschwundene unabhängige Gutachten des Rheinisch Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Essen), das die Wirtschaftkreisläufe von vielen europäischen und deutschen Flughafenstandorten beleuchtet habe. Dort heißt es:"Ein Einfluß einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar." (W3 S. 43) - Die negativen Effekte eines übermäßig wachsenden Flughafens, wie negative Auswirkungen auf die Deutsche Bahn, auf die Automobil-Industrie und nicht zuletzt auf den Technologie- und Chemiestandort Rhein-Main sind in den Akten zum Flughafenausbau vollkommen ausgeblendet worden. Prominentestes Beispiel hierfür sei die von Ministerpräsident Roland Koch angedrohte Stilllegung der traditionsreichen Chemiefabrik Ticona, Welt-Marktführerin auf dem Gebiet bestimmter Kunststoff-Rohprodukte. Hier würden nach Ausbau mindestens 3000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Die Gruppe warnt vor dem "Ruhrpott- oder Monokultur-Effekt" alles auf eine Branche zu konzentrieren und später vor einem Scherbenhaufen zu stehen, weil man andere Wirtschaftszweige zugunsten des Flughafens verdrängt habe. Zudem nimmt die Arbeitsplatzvernichtung durch Schädigung von Wirtschaftszweigen, die auf weiche Standortfaktoren angewiesen sind, durch die Verlärmung und den Imageschaden den die Region erleidet, überhand. Abschließend resultiere eine deutlich negative Arbeitsplatzbilanz nach Ausbau, die durch die Einseitigkeit der drei Großverfahren verdeckt werde.
Das Rhein-Main-Gebiet sei durch seinen noch ausgewogenen Branchenmix eine gesunde Wirtschaftsregion und halte die Nachfrage beim Flughafen stabil. Die Parole des "Jobmotors Flughafen" sei ein Wunschdenken der Flughafenbetreiber, und noch nie wissenschaftlich kausal festgestellt worden. Der umgekehrte Schluss sei der einzig zulässige, wenn man den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf betrachte.
[Ende der Pressemitteilung]
Ein Mitarbeiter des Kanzleramts hat auch schon auf den Brief geantwortet. Tenor: wir sind nicht zuständig, hier gibt es ja die Hessichen Landesregierung und ein Planfeststellungsverfahren.
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