Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 42/2014 vom 07.05.2014
Ergänzende Informationen und Verhandlungsgliederung zur mündlichen Verhandlung in Sachen "Luftverkehrsteuer"
Wie bereits angekündigt, verhandelt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 20. Mai 2014 über die Verfassungsmäßigkeit der Luftverkehrsteuer (vgl. hierzu die a Pressemitteilung Nr. 40/2014 vom 2. Mai 2014).
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Der von der Regierung des Landes Rheinland-Pfalz im März 2011 eingereichte Antrag auf abstrakte Normenkontrolle richtet sich gegen das Luftverkehrsteuergesetz (LuftVStG) vom 9. Dezember 2010. Die Luftverkehrsteuer trifft ab dem 1. Januar 2011 in Deutschland startende, gewerbliche Passagierflüge, nicht aber private Flüge und Frachtflüge. Von der Besteuerung ausgenommen sind Flüge zu hoheitlichen, militärischen und medizinischen Zwecken, Versorgungsflüge von und zu bestimmten Nordseeinseln sowie Transit- und Transferflüge. Neben der Erzielung von Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich soll die Abgabe nach der Gesetzesbegründung auch lenkend wirken, indem sie Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten im Bereich des Flugverkehrs setzt.
Das Luftverkehrsteuergesetz sieht abhängig vom Zielort des Fluges drei Steuertarife vor. Der Steuersatz beträgt derzeit 7,50 Euro für einen Kurzstreckenflug (bis 2.500 km Entfernung), 23,43 Euro für einen Mittelstreckenflug (über 2.500 bis 6.000 Kilometer) und 42,18 Euro für einen Langstreckenflug (über 6.000 Kilometer). Das Bundesministerium für Finanzen wird durch das Gesetz ermächtigt, zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Luftverkehrsunternehmen durch Luftverkehrsteuer und Treibhausgasemissionshandelssystem die Steuersätze durch Verordnung jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres so abzusenken, dass das erstrebte Gesamtaufkommen von einer Milliarde Euro aus beiden Systemen erhalten bleibt.
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Die Antragstellerin hält das Luftverkehrsteuergesetz für formell und materiell verfassungswidrig und beantragt, es für nichtig zu erklären. Sie rügt eine fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Luftverkehrsteuer. Der Bund sei nur zuständig bei einer - nach ihrer Auffassung anzuzweifelnden - Einordnung der Luftverkehrsteuer als eine auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer. Außerdem hält sie die Verordnungsermächtigung für unvereinbar mit dem Vorbehalt des Gesetzes, weil diese dem Verordnungsgeber die ausschließliche Entscheidung darüber überlasse, ob eine Absenkung der Steuer erfolge oder nicht.
Nach Auffassung der Antragstellerin verstoßen die Regelungen des Luftverkehrsteuergesetzes zudem gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der steuerrechtlichen Lastengleichheit. So sei beispielsweise die steuerliche Privilegierung von Versorgungsflügen zu Nordseeinseln sachlich nicht gerechtfertigt.
Bei der Ausgestaltung der Luftverkehrsteuer rügt die Antragstellerin als gleichheitswidrig, dass die Besteuerung an die Entfernung zum größten Verkehrsflughafen des Ziellandes statt an die Entfernung zum tatsächlichen Zielort des Fluges anknüpft. Hierdurch komme es bei sehr großen Ländern oder Ländern mit Überseegebieten zu deutlichen Verwerfungen. Beispielsweise falle bei einem Langstreckenflug nach Französisch-Polynesien nur der niedrigste Steuersatz an, weil der Zielort nach der länderbezogenen Pauschalierung Frankreich zugerechnet werde.
Die Luftverkehrsteuer greife darüber hinaus in das von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Luftverkehrsunternehmen auf freie Berufsausübung ein. Sie ziele darauf ab, Personenverkehr weg vom Luftverkehr hin zu ökologischeren Verkehrsträgern zu bewegen. Ihre Erhebung bedeute einen erheblichen, zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Luftverkehrsunternehmen. Im Ergebnis führe die Luftverkehrsteuer vor allem bei Kurzstrecken und bei Inlandsflügen zu relativ hohen Aufschlägen auf die Flugpreise mit der Folge, dass Passagiere ins benachbarte Ausland wechselten, in dem keine Luftverkehrsteuer erhoben werde (Luxemburg, Belgien, Niederlande). Bei den teureren Langstreckenflügen böten die Preisaufschläge hingegen keinen wirklichen Anreiz, sich für ein anderes Transportmittel zu entscheiden oder eine Reise ganz zu unterlassen. Die Steuer verfehle damit ihren Umweltschutzzweck.
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Demgegenüber macht das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung geltend, das Luftverkehrsteuergesetz sei weder formell noch materiell verfassungswidrig. Durch eine Grundgesetzänderung im Jahr 2009 habe der Bund die Kompetenz zu einer weitreichenden Neugestaltung der Mobilitätsbesteuerung erhalten, die die Luftverkehrsteuer mit umfasse. Die Besteuerung sei auch nicht gleichheitswidrig. Die steuerliche Privilegierung von Nordseeinseln ohne wetterunabhängige Festlandanbindung sei zur Sicherung ihrer technischen Versorgung erforderlich. Die länderbezogene Zuweisung der drei Steuersätze stelle eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Typisierung dar. Das Luftverkehrsteuergesetz verstoße auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
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Die Verhandlungsgliederung finden Sie im Anhang zu dieser Pressemitteilung.
Gliederung für die mündliche Verhandlung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 20. Mai 2014
A. Formalien, Sachbericht
B. Allgemeine Ausführungen (Eingangsstatements)
C. Materieller Teil
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Gesetzgebungskompetenz, insbesondere Begriff der „sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogenen Verkehrsteuern“, Ziele, Belastungsgründe und Belastungswirkungen der Luftverkehrsteuer
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Gegebenenfalls Tatbestand und Ausnahmen der Luftverkehrsteuer
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Steuertarif, insbesondere Anlagen 1 und 2 zu § 11 Abs. 1 LuftVStG, Verordnungsermächtigung
Luftverkehrssteuer Bundesverfassungsgericht Luftverkehr Rheinland-Pfalz