"Wir haben nicht wirklich erwartet, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens aufhebt, den Ausbau stoppt und die zutreffenden Argumente der klagenden Ausbaugegner würdigt" führte Ingrid Wagner, die Sprecherin der BIL (Bürgerinitiative Luftverkehr Offenbach) aus.
Zu eindeutig war das Verhalten des Gerichts seit der Einreichung der Klagen. Schon die Auswahl der Kläger, über deren Anträge jetzt entschieden worden ist, zeigte, wohin die Reise ging: von etwa 120 Privatleuten wurden ganze drei (2 aus Sachsenhausen, 1 aus Kelsterbach) ausgewählt, obwohl die Prozessordnung für ein solches Verfahren vorsieht, dass eine derartige Auswahl nur erfolgen darf, wenn die "Musterkläger" auch die Betroffenheit der übrigen Rechtsschutzsuchenden im wesentlichen widerspiegeln. Die Stadt Offenbach sollte zunächst auch nicht zugelassen werden, obwohl nach einem Ausbau ihre Fläche zu etwa 75 % durch die Flugbewegungen verlärmt würde. Der Eilantrag, die Rodung des Kelsterbacher Waldes bis zur Entscheidung über die Klagen zu stoppen, wurde zurückgewiesen, mit der Begründung, die Sache sei eilbedürftig. Das seit dem vergangenen Herbst dramatisch zurückgegangene Passagier- und Frachtaufkommen wurde dabei völlig negiert (Rückgang der Passagiere im 1. Halbjahr 8 %, bei der Fracht 21 %, bei Flugbewegungen 5,7 %; allein die Lufthansa hat über 30 Flugzeuge eingemottet).
Die neuen Entwicklungen in der medizinischen Lärmforschung, die den Fluggeräuschen ein hohes krankheitsförderndes Potential attestieren, wurden außen vor gelassen.
Unverständlich ist die Haltung des Gerichts zu den nur von Fraport eingeholten und bezahlten Gutachten zu den Auswirkungen des Ausbaus. Die Richter haben sich nur auf diese parteiischen Gutachten verlassen und jegliche Anträge der Kläger, unabhängige Gutachter zu Wort kommen zu lassen, abgewiesen. Deutlicher kann ein Gericht seine Voreingenommenheit kaum dokumentieren. Nur so konnten sich die Joblüge des Flughafenbetreibers, die Manipulation der Lärmberechnungen durch die Annahme unrealistischer Abflugrouten und des zum Einsatz kommenden Fluggeräts, aber auch der Negierung der bereits erwähnten Auswirkungen des Fluglärms und der Schadstoffe auf die menschliche Gesundheit beim Gericht durchsetzen.
Die mündliche Verhandlung war eine Farce und glich mehr einem absurden Theaterstück als dem vom Gesetz geforderten Dialog der Prozessparteien mit dem Gericht. Die Richter verweigerten weitestgehend das Rechtsgespräch. Die Fraport AG und das Land Hessen als Genehmigungsbehörde brauchten sich an keinerlei Fristen zu halten und konnten, nachdem ihnen von den Klägern Unrichtigkeiten ihrer Argumentation und Gutachten nachgewiesen wurden, immer neue Berechnungen vorlegen, ohne dass die Kläger wiederum Gelegenheit bekamen, in zeitlich zumutbarer Weise diese nachzuprüfen und dagegen zu argumentieren.
Selbst beim Nachtflugverbot konnte sich das Gericht – trotz seiner im Eilverfahren geäußerten Meinung, die Zeit zwischen 23 und 5 Uhr müsse fluglärmfrei gehalten werden, und die beiden Stunden vor und danach dürften auch nur schonend beflogen werden – nicht zu einer eindeutigen Regelung zugunsten der lärmgeplagten Bevölkerung durchringen: die Genehmigungsbehörde, der Hess. Wirtschaftsminister, müsse hier neu entscheiden. Welche Vorgaben das Gericht hier macht, wird man endgültig erst aus dem Studium der Urteilsgründe erfahren. Auf jeden Fall aber hat der VGH ausgedrückt, dass die Zulassung von Nachtflügen im Planfeststellungsbeschluss fehlerhaft war. Der Flughafenbetreiber hatte bekanntlich ein "Mini-Nachtflugverbot" zwischen 23 und 5 Uhr beantragt, dann aber vor Gericht, also entgegen dem eigenen Antrag, in Eintracht mit den Fluggesellschaften für die Zulässigkeit von Flugbewegungen während der ganzen Nacht gekämpft. Das Land Hessen hatte sich von den markigen Worten seines Ministerpräsidenten und auch dem Beschluss des Parlaments "Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot" schon vor dem Gerichtsverfahren verabschiedet. Dies ist ein weiterer Beweis für die Unglaubwürdigkeit des Herrn Koch und der Parlamentsmehrheit und dafür, dass das sog. Mediationsverfahren die BürgerInnen nur ruhig stellen sollte. Selbst wenn aber eine Schonung der Nachtruhe angeordnet werden sollte, so kann dies den Ausbau insgesamt nicht erträglich machen.
"Wir haben durchaus den Eindruck, dass das Gericht, weite Teile der Landespolitik und die Fraport AG sich zu einem Imperium zusammen geschlossen haben, das unter Missachtung berechtigter Belange der Flughafenanrainer die wirtschaftlichen Interessen des Flughafenbetreibers über alle sonstigen Erwägungen stellt" führte Ingrid Wagner weiter aus. Wir hoffen indessen, dass die Kläger die Kraft und die finanziellen Mittel haben, gegen dieses Urteil die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, anzurufen. Frühere Entscheidungen dieses Gerichts in vergleichbaren Verfahren haben gezeigt, dass man dort unabhängiger und seriöser richtet. Der Ausbau kann also noch gekippt werden. Es ist auch damit zu rechnen, dass das BVerwG die - teilweise - Nichtzulassung der Revision aufheben wird.