Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Flughafenausbau Frankfurt
Von: @cf <2012-03-15>
Ein Nachtflugverbot rückt in greifbare Nähe - es sieht so aus als ob das Bundes­verwaltungs­gericht wird das Urteil der VGH Kassel mit 0 Nachtflügen bestätigen wird. Das Urteil wird am 4. April verkündet.

Erster Tag (13.03.2012)

Die mit Spannung erwartete Revisionsverhandlung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens hat heute begonnen. Das Interesse der Zuschauer war größer als der zur Verfügung stehende Platz: alle 150 Zuschauerplätze waren voll belegt, nur 25 Journalisten zugelassen. Vor dem Gerichtssaal protestierten einige Ausbaugegner und auch etwa 30 Lufthansa Cargo-Mitarbeiter in Dienstkleidung (letztere für Nachtflüge).

Gleich zu Beginn dämpfte der Vorsitzende Richter Rubel die hohen Erwartungen an das Urteil. Die Aufgabe des Gerichts sei, die Beschlüsse der Vorinstanz auf Formfehler zu prüfen, nicht die Arbeit der Verwaltung zu machen und den Planfeststellungsbeschluss zu verbessern. Auch der Argumentation der Stadt Offenbach, die Revision der Landesregierung habe keine Grundlage mehr, weil das Land Hessen inzwischen selbst keine Nachtflüge mehr wolle, folgte das Gericht nicht: politische Äußerungen seien nicht von Belang, es zähle nur, was bei Gericht vorgetragen werde. Und dort plädierte die Landesregierung eindeutig für die von ihr zugelassenen 17 Nachtflüge. Fraport hatte sich im Gericht der Revision des Landes Hessen inhaltlich angeschlossen. Die Grünen, für die Flughafenexperte Frank Kaufmann die Verhandlung beobachtet, sprachen in ihrer Pressemitteilung vom "doppelten Wortbruch".

Den Rest des Vormittags wurden Fragen des Fluglärms diskutiert. Über die Schadstoffbelastungen will das Gericht offenbar nicht beraten. Die entsprechenden Anträge von Offenbach seien erst nach Ablauf der Frist eingegangen. Der Vorsitzende mahnte zur Eile, offensichtlich will man nicht sehr lange verhandeln.

Am Nachmittag kam man dann zu den Nachtflügen. Und da gab es für Minister Posch eine unangenehme Überraschung. Der Landesregierung könne ein Formfehler unterlaufen sein, weil sie im Planfeststellungsbeschluss 17 Nachtflüge zugelassen hat, die Fraport gar nicht beantragt hatte und die im Verfahren deshalb auch nicht berücksichtigt worden sind. Es hätte eventuell vor der Zulassung dieser Nachtflüge eine weitere Anhörung der Betroffenen geben müssen. Was das jetzt für das Urteil bedeutet, wurde nicht klar. Die Anwälte der Kläger verlangten die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, die Anwälte der Gegenseite bestritten Formfehler. Aus dem bisherigen Ablauf der Verhandlung kann man vermuten, dass das Gericht keine konkrete Zahl für die Nachtflüge festlegen will. Möglicherweise gibt es ein langes Planergänzungsverfahren. Nach der von der Landesregierung gewünschten Rechtssicherheit sieht es aber nicht aus.

Eine ausführliche laufende Berichterstattung findet man z.B. bei hr online:

Zweiter Tag: Nachtflugverbot wird wahrscheinlicher

Das Gericht machte heute deutlicher, dass ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen rechtlich möglich ist und das Urteil des VGH Kassel rechtens war. Der Vorsitzende Richter sagte: "Ein Flughafen wie Frankfurt, der in der Champions League spielt, muss trotzdem nicht unbedingt Nachtflüge haben", die Situation müsste an jedem Flughafen individuell geprüft werden und ein Nachtflugverbot sei auch eine Frage des politischen Willens. Minister Posch wiederholte, es ginge ihm nur um rechtliche Klärung: das Land Hessen sei bei dem Planfeststellungsbeschluss im Auftrag des Bundes unterwegs und könne sich gar nicht an Mediationsergebnissen oder Landtagsbeschlüssen orientieren (das ist schon stark: gelebte Demokratie ...). Der Anwalt des Landes Hessen plädierte dagegen weiter inhaltlich (mit wirtschaftlichen Gründen) für Nachtflüge und machte den Richtern sogar den Vorwurf, sie hätten mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung ihre Position geändert. Die Richter äußerten sich auch kritisch zu den Randstunden: es dürfe keine Ballung von Flügen kurz vor 23 Uhr und kurz nach 5 Uhr geben.

Die Live-Berichterstattung vom hr teilt mit, dass um 16:45 die Behandlung des Nachtflugverbots beendet ist und die meisten Zuschauer den Saal verlassen. Es geht nur noch um Entschädigungsfragen.

Reaktionen nach der Verhandlung:

Wie schon fast erwartet, bezeichnen fast alle Landtags-Politiker die Gerichtsverhandlung als (ihren) Erfolg. Die hessische Regierung ist zufrieden mit dem Ergebnis, der Ausbau war ok, und ein Nachtflugverbot hat man ja eigentlich schon immer gewollt. Auch die FDP zeigt sich zufrieden - ein Nachtflugverbot kann es jetzt geben, da man ja Revision eingelegt hat. Die SPD sieht sich voll bestätigt: sie war schon immer für die Mediation, den Ausbau und für das Nachtflugverbot, und genau so haben die Richter entschieden. Die Grünen freuen sich, dass sich die Landesregierung in Leipzig ziemlich blamiert hat, und hoffen auf ein Nachtflugverbot. Dagegen sieht die LINKE es jetzt als erwiesen an, dass sowohl das Mediations- als auch das Genehmigungsverfahren die Überschrift "Tauschen, tarnen, tricksen" verdienen, und fordern weiterhin, die Landebahn zu schließen. Am Tag nach der Verhandlung sind schon wieder ganz andere Themen aktuell.

Der Kreis Groß-Gerau sieht in der voraussichtlichen Bestätigung des Gerichts für das vorläufige Nachtflugverbot einen Teilerfolg für die Region. Offenbacher Politiker zeigten sich laut einem Artikel der FR vorsichtig optimistisch. Von den Bürgerinitiativen liegen erst wenige offizielle Kommentare vor. Zwar freut man sich, wenn das Gericht die 17 Nachtflüge kassiert und wenigstens das kleine Nachtflugverbot bestehen bleibt. Die Ziele gehen jedoch weiter, und deshalb wird der Widerstand nicht nachlassen. Die Lufthansa scheint sich, wenn auch mit Zähneknirschen, mit dem Nachtflugverbot abgefunden zu haben. Es entgingen zwar Wachstumschancen, aber man könne damit leben. Der VhU ärgert sich über das Nachtflugverbot und warnt davor, auch in den Randstunden noch Flüge zu kürzen

Was passiert jetzt?

Das Urteil ist für den 4. April angekündigt, dann kann es nochmal einige Monate dauern, bis die schriftliche Begründung fertig ist.

Die Tendenz zeichnet sich ab, dass das Gericht das Urteil des VGH bestätigen wird. Konsequenz wäre dann am ehesten ein Planergänzungsverfahren zur Regelung der Null Nachtflüge - so hat sich Minister Posch jedenfalls geäußert.

Ein strahlender Sieg wäre das für die Ausbaugegner nicht, auch wenn sie sich momentan freuen. Denn der Rest des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau wäre dann bestätigt, und die sonstigen Probleme mit Lärm, Schadstoffen und Wertverlusten bleiben. Es besteht auch immer noch das Risiko, dass per EU-Gesetzgebung Nachtflugbeschränkungen wieder einkassiert werden.

Beim Schutz der Nachtruhe hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Berliner Verfahren Grundsätze festgelegt, und auf deren Einhaltung besteht es jetzt. Die anderen zahlreichen Bedenken gegen den Ausbau und mögliche inhaltliche Fehler beim Planverfahren hat man dagegen nicht beanstandet. Es sieht so aus, dass das Gericht bei Planverfahren den planfeststellenden Behörden/Politikern keine großen Steine in den Weg legen will - der Ausbau hätte also am besten auf politischem Weg verhindert werden können.

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