Der Gutachter Hans-Henning Romberg, Unternehmensberater Luftfahrt, macht auf eine große Zahl nicht betrachteter Möglichkeiten zur effizienteren Nutzung des Frankfurter Flughafens ohne Bau einer neuen Landebahn aufmerksam. Auch werden von der Fraport-Planung ungerechtfertigt verworfene Alternativen analysiert.
Fazit: Für eine neue Landebahn gibt es keine Notwendigkeit.
Da der Gutachter nicht nur langjähriger Mitarbeiter der Lufthansa, sondern auch Verantwortlicher eines großen Flughafens und auch einer Fluggesellschaft war, handelt es sich hier gewichtige Argumente aus besonders berufenem Munde.
Lesen Sie hier die Zusammenfassung des Gutachtens:
Der Flughafen Frankfurt hat ein Defizit an Landekapazität, das seinerzeit durch den Neubau der Startbahn-West ausgelöst wurde. Dieses Kapazitätsproblem äußert sich vor allem darin, dass die Umsteigeknoten, insbesondere frühmorgens, überlastet sind. Aufgrund der Belegung wesentlicher Zeitenlagen durch Lufthansa und die Star Alliance haben andere Gesellschaften derzeit nur geringe Chancen, neue Flüge zu attraktiven Zeiten in Frankfurt aufzunehmen.
Nunmehr zur Lösung dieses Problems eine Landebahn zu bauen, bietet sich zunächst logisch an. Betrachtet man jedoch die Folgen für Mensch und Natur, die der geplante Ausbau des Flughafens inmitten einer der dichtbesiedeltsten Regionen Europas nach sich zieht, stellt sich die Frage nach Alternativen, die einerseits dem Bedürfnis des Flughafens nach Kapazitätserweiterung nachkommen und andererseits die Belastungen der Region in akzeptablen Grenzen halten.
In Frage kommende Lösungsansätze wurden zwar von der Fraport AG teilweise untersucht, aber vor allem durch eine sehr strikte Anwendung der Kriterien „MCT 45 Minuten“ und Koordinationseckwert „120 Flugbewegungen pro Stunde“ verworfen. Auch wenn die MCT ein wichtiges Wettbewerbskriterium darstellt, darf sie unseres Erachtens nicht verabsolutiert werden. Veränderungen im Minutenbereich sind ohne schwerwiegende Auswirkungen auf das Drehkreuz durchaus machbar, zumal davon auszugehen ist, dass die „MCT 45 Minuten“ nach dem Bau der Nordwestbahn in vielen Fällen noch weniger als heute real darstellbar sein wird. Ebenso plädieren wir dafür, den angestrebten Koordinationseckwert von 120 Flugbewegungen, der ein legitimes Ziel darstellt, flexibler anzuwenden, wenn dadurch Alternativen in Betracht kommen, die bei anderen Bewertungskriterien wie Flächenverbrauch oder Lärmbelastung vorteilhafter abschneiden als die von Fraport favorisierte Nordwest-Variante.
Grundsätzlich erscheinen uns vor allem drei Varianten geeignet, um das magische Dreieck Kapazitätserweiterung – Ökobilanz – Lärmproblematik in ein ausgewogeneres Verhältnis zu bringen, und damit wert, noch einmal eingehender geprüft und neu bewertet zu werden. Neben dem sogenannten Prognosenullfall gehören dazu die Variante Spreizung der Südbahn und die von der Mediation als „Erbenheim klein“ bezeichnete Mitnutzung des derzeitigen Militärflughafens Erbenheim. Diese Varianten können jeweils ergänzt werden durch Verbundkonzepte mit anderen Flughäfen (z.B. Auslagerung von Frachtflügen nach Hahn und/oder der Auslagerung von Charterflügen nach Köln) und mit der Bahn (Kurzstreckenverbund), auch wenn damit nur sehr begrenzte Entlastungen zu erzielen sind.
Der Prognosenullfall muss nicht das Ende des Wachstums bedeuten, sondern lediglich das Ende einer vornehmlich auf Erhöhung der Flugbewegungen fixierten Wachstumsphilosophie. Wir haben nachgewiesen und an Beispielen belegt, dass die heutige Kapazität nicht nur durch Optimierung der Radar- und Navigationssysteme wesentlich besser genutzt werden kann.
Die Aufgabe unbedeutender Nebenstrecken, die Einschränkung des Frequenzwachstums zugunsten neuer Destinationen, ein Kurzstreckenverbund mit der Bahn, der Einsatz größerer Flugzeuge, eine ökonomischere Lastverteilung zwischen den Terminals und eine effizientere Flugplankoordination eröffnen im Rahmen des heutigen Flughafensystems zumindest mittelfristig bislang noch längst nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten für ein qualifiziertes (Passagier-)Wachstum.
Solche Strategien zur Effizienzsteigerung gewinnen an Bedeutung, je mehr sich die gegenwärtig andeutenden Strukturveränderungen durch die Low-Cost-Carrier tatsächlich durchsetzen werden. Sollte diese Entwicklung flächendeckend in Deutschland erfolgen, wird der europäische Umsteigeverkehr in Frankfurt auf Dauer negativ beeinflusst, wodurch Slots gerade in den stark nachgefragten Zeiten frei werden könnten. Die wachsenden LCC-Verkehre würden somit dazu beitragen, Alternativen zur neuen Landebahn attraktiver zu machen. Aber auch wenn sich diese strukturellen Veränderungen nicht durchsetzen sollten, wird die gute Hubqualität in Frankfurt und die internationale Bedeutung des Flughafens selbst im Prognosenullfall erhalten bleiben.
Die in den ROV-Unterlagen beschriebenen nachteiligen Folgen für die Wirtschaft der Region vermögen wir nicht nachzuvollziehen. Demgegenüber kann jedoch ein Manko mit dieser Variante nicht grundlegend behoben werden: Die Disparität zwischen Lande- und Startkapazität und die mangelnde Gesamtkapazität zu den starken Verkehrszeitenlagen.
Dieses Problem können andere Varianten besser lösen. Nach den ROV-Unterlagen steigt die Zahl der stündlich koordinierten Flugbewegungen bei einer Spreizung der Südbahn um 24 Prozent und bei der „kleinen“ Erbenheim-Lösung um 25 Prozent im Vergleich zu Prognosenull. Die Variante Erbenheim hätte dabei den großen Vorteil, dass die „lästigen“ kleinen Flugzeuge aus dem großen Flughafen ausgegliedert werden könnten. Eine Beschränkung Erbenheims auf kleine und lärmarme Maschinen in Verbindung mit einer Deckelung der Flugbewegungen könnte zudem die Lärmbelastung in den betroffenen Kommunen vergleichsweise gering halten und damit zur Akzeptanz dieses Modells beitragen.